Rz. 84
Die Haftung des Insolvenzverwalters richtet sich nach §§ 60, 61 InsO. Nach dem Sorgfaltsmaßstab des § 60 Abs. 1 S. 2 InsO hat der Insolvenzverwalter seine Aufgaben ordentlich und gewissenhaft auszuführen. Verletzt er diese Pflichten schuldhaft, ist er gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 InsO allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet. Dies gilt über § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter.
Rz. 85
Setzt der Verwalter zur Erfüllung seiner Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen von deren bisheriger Tätigkeit ein, hat er deren Verschulden nicht nach § 278 BGB zu vertreten, wenn er seiner Überwachungspflicht nachgekommen ist, vgl. § 60 Abs. 2 InsO.
Rz. 86
§ 61 InsO erfasst Masseverbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter pflichtwidrig begründet hat. Können diese aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden, haftet der Insolvenzverwalter dem Massegläubiger gegenüber, es sei denn, er konnte bei Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen, dass die Masse voraussichtlich unzureichend sein wird.
Rz. 87
Der Verwalter hat den von ihm gemäß § 61 S. 2 InsO zu führenden Entlastungsbeweis nur dahin zu führen, dass er zum Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeit einen aus seiner damaligen Sicht auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen beruhenden und sorgfältig erwogenen Liquiditätsplan erstellt hat, der eine Erfüllung der fälligen Masseverbindlichkeit erwarten ließ; die Darlegung und der Beweis für eine davon abweichende Entwicklung obliegt ihm nicht.
Rz. 88
Räumt das Gesetz der Gläubigerversammlung keine Entscheidungs- oder Zustimmungskompetenz ein, haben ihre Beschlüsse grundsätzlich keine Auswirkungen darauf, ob der Insolvenzverwalter einen Masseschaden pflichtwidrig und schuldhaft herbeigeführt hat.
Sekundäransprüche des Vertragspartners, deren Ursache nicht in der Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse begründet ist, werden nicht von § 61 InsO erfasst.
Rz. 89
Im Rahmen einer Betriebsfortführung ist Maßstab aller unternehmerischen Entscheidungen des Insolvenzverwalters der Insolvenzzweck der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger sowie das von den Gläubigern gemeinschaftlich beschlossene Verfahrensziel – Abwicklung des Unternehmens, Veräußerung oder Insolvenzplan – als Mittel der Zweckerreichung. Maßgeblich ist, ob aus ex ante-Sicht die zu erwartenden mittelbaren oder unmittelbaren Vorteile für die Masse die damit verbundenen Kosten, Aufwendungen und Risiken zu rechtfertigen vermögen. Bei solchen unternehmerischen Entscheidungen kommt dem Insolvenzverwalter ein weiter, mit der Vielschichtigkeit des Verfahrens zunehmender Ermessensspielraum zu.
Eine Erfolgshaftung für die unternehmerischen Entscheidungen des Insolvenzverwalters – wie dies in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG geregelt ist, die sog. Business Judgment Rule – kommt nicht in Betracht.
Rz. 90
Praxistipp
Will der Insolvenzverwalter Haftungsrisiken reduzieren, hat er jederzeit die Möglichkeit, vor einer anstehenden gewichtigen Rechtshandlung – auch über andere als die in § 160 Abs. 2 InsO genannten Maßnahmen hinaus – die Einberufung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung zu beantragen und eine Entscheidung über die Rechtshandlung herbeizuführen. Dies führt zwar nicht zwingend zu einer Entlastung des Verwalters, erweitert aber jedenfalls den Kreis der Haftenden.