Rz. 46
In der Überschuldungsbilanz zu passivieren sind gemäß § 325 InsO nur die Nachlassverbindlichkeiten, nicht also (reine) Eigenverbindlichkeiten des Erben.
Nachlassverbindlichkeiten, die bereits befriedigt wurden, bleiben ebenfalls unberücksichtigt. Dies gilt auch dann, wenn die Befriedigung von dem Erben aus Eigenmitteln getätigt wurde, und zwar unabhängig davon, ob die Insolvenzgläubiger solche Befriedigungen gemäß § 1979 BGB als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gelten lassen müssen.
Rz. 47
Verbindlichkeiten, die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst bedingt sind, sind einem allgemeinen insolvenzrechtlichen Grundsatz entsprechend nicht in der notwendig vorgelagerten Prüfung von Insolvenzgründen zu passivieren. Dies gilt nicht nur für Anfechtungsansprüche, sondern auch für solche Ansprüche, die infolge des Erbfalles durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder nach dem Erbfall durch Aufrechnung eines Nachlassgläubigers mit Forderungen gegen den Erben erloschen sind, vgl. §§ 1976 f. BGB.
Rz. 48
Nicht im Rahmen der anfänglichen Überschuldungsprüfung zu passivieren sind auch Aufwendungsersatzansprüche des Erben gemäß § 1978 f. BGB, da auch diese i.d.R. die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens voraussetzen. Etwas anderes gilt selbstverständlich dann, wenn im konkreten Fall bereits Nachlassverwaltung angeordnet war.
Rz. 49
Grundsätzlich zu passivieren sind die sog. Nachlasserbenschulden. Das sind Verbindlichkeiten, die der (vorläufige) Erbe im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses im Zeitraum zwischen Erbfall und Verfahrenseröffnung begründet hat und für die daher nach allgemeinen Grundsätzen auch der Erbe persönlich mit seinem Eigenvermögen haftet, soweit er die Haftung nicht individualvertraglich auf den Nachlass beschränkt hat. Der Gläubiger kann sich in einem solchen Fall aussuchen, gegen welchen Schuldner bzw. welche Vermögensmasse er vorgeht, vgl. auch § 43 InsO.
Rz. 50
Zu passivieren sind auch sonstige Erbfallschulden, wie insbesondere die Beerdigungskosten (vgl. § 324 Abs. 1 Nr. 2 InsO), die Kosten des Nachlassgerichtsverfahrens einschließlich der Sicherung des Nachlasses, der Vergütungsanspruch eines Nachlasspflegers (vgl. § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO) sowie die Geschäftsführungskosten der in § 324 Abs. 1 Nr. 6 InsO genannten Personen.
Rz. 51
Verbindlichkeiten, die im Rahmen der bisherigen Nachlassverwaltung rechtsgeschäftlich gegenüber Dritten begründet wurden, sind zu passivieren, soweit die betreffenden Ansprüche bereits (vor Verfahrenseröffnung) begründet wurden, aber unbefriedigt geblieben sind. Unerheblich ist, ob die Verbindlichkeiten von einem vorläufigen oder endgültigen Erben oder einem der in § 324 Abs. 1 Nr. 5 InsO bezeichneten Fremdverwalter begründet worden sind. Diese Frage ist allerdings relevant für die spätere rechtliche Einordnung als Masse- oder Insolvenzforderung.
Rz. 52
Fraglich ist, ob in der Überschuldungsbilanz auch die gemäß § 327 InsO absolut nachrangigen Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten, Vermächtnisnehmer und Auflagenberechtigten zu passivieren sind. Dies wird unter Verweis darauf, dass die betreffenden Ansprüche von § 1967 Abs. 2 BGB ausdrücklich zu Nachlassverbindlichkeiten erklärt werden und die betreffenden Anspruchsinhaber daher unstreitig zu dem gemäß § 317 Abs. 2 InsO zur Insolvenzantragstellung berechtigten Kreis der Nachlassgläubiger zu zählen sind, überwiegend bejaht.
Rz. 53
§ 1980 Abs. 1 S. 3 BGB, wonach bei der Bemessung der Zulänglichkeit des Nachlasses die Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und Auflagen außer Betracht bleiben, steht dieser Ansicht nicht entgegen, da diese Norm so zu verstehen ist, dass lediglich die Insolvenzantragspflicht entfällt, wenn sich eine Überschuldung nur im Falle einer Passivierung von Auflagen und Vermächtnissen einstellt, nicht aber der Tatbestand der Überschuldung als solcher. Dies ergibt sich zwingend aus § 1992 BGB, demzufolge der Erbe in den genannten Fällen ein Wahlrecht hat, ob er von seinem Insolvenzantragsrecht Gebrauch macht oder die Befriedigung der Vermächtnisnehmer und Auflagenberechtigten analog der §§ 1991 f. BGB (Dürftigkeitseinrede) vollzieht. Daraus, dass Pflichtteilsansprüche in den §§ 1980 Abs. 1 S. 3, 1992 BGB nicht genannt werden, folgt nicht, dass solche Ansprüche nicht zu passivieren sind. Stattdessen ist daraus – im Gegenteil – der Schluss zu ziehen, dass solche Verbindlichkeiten erst recht in der Überschuldungsbilanz zu passivieren sind und ggf. nicht nur eine Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) begründen, sondern auch eine Insolvenzantragspflicht auslösen können. Gleiches gilt für Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2325 BGB, bei denen es sich nach allgemeiner Auffassung ebenfalls um Nachlassverbindlichkeiten handelt.
Rz. 54
Ebenfalls zu passivieren sind die Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern, die im Aufgebotsverfahren ausgeschlossen wurden (§ 1973 BGB) oder diesen durch § 1974 BGB gleichgestellten Gläubiger.
Rz. 55
Verbindlichkeiten,...