Rz. 26
Gemäß § 320 Abs. 1 InsO sind im Nachlassinsolvenzverfahren sowohl die Zahlungsunfähigkeit als auch die Überschuldung sowie gemäß § 320 Abs. 2 InsO bei Eigenantrag eines Erben, Nachlassverwalters, Nachlasspflegers oder Testamentsvollstreckers auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit taugliche Insolvenzgründe.
Unter Geltung der Konkursordnung (KO) war demgegenüber einzig die Überschuldung materielle Eröffnungsvoraussetzung. Hieraus ergaben sich Probleme, wenn ein Schuldner im Antragsverfahren oder im Zeitraum zwischen Eröffnungsentscheidung und Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses verstarb, da der Eröffnungsantrag ausschließlich auf Zahlungsunfähigkeit als dem einzig zulässigen Konkursgrund in der Insolvenz natürlicher Personen gestützt war. Die Harmonisierung der Eröffnungsgründe sollte in den betreffenden Fällen einen problemlosen Übergang von der Regel- in die Nachlassinsolvenz ermöglichen.
Rz. 27
Hinweis
In Nachlassinsolvenzverfahren bereitet die Prüfung der Insolvenzgründe in Fällen, in denen der Insolvenzantrag von einem Nachlasspfleger oder einem Fiskalerben gestellt wurde, nachdem bereits alle sonstigen Erben die Erbschaft ausgeschlagen hatten (sog. Kettenausschlagung), in aller Regel keine Probleme, da der Nachlass in solchen Fällen fast immer offensichtlich zahlungsunfähig und überschuldet ist. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Gutachters/Sachverständigen liegt in solchen Standardfällen regelmäßig auf der Feststellung, ob in dem zu eröffnenden Verfahren voraussichtlich eine kostendeckende Insolvenzmasse gebildet werden kann. Besondere Bedeutung kommt der sachverständigen Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen vor allem in solchen Fällen zu, in denen der Insolvenzantrag von einem Nachlassgläubiger gestellt wurde und der Erbe oder ein für diesen handelnder Testamentsvollstrecker oder Nachlasspfleger das Vorliegen der vom Antragsteller behaupteten Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bestreitet oder aber, wenn der Antrag gemäß § 317 Abs. 2 S. 1 InsO nur von einem einzelnen Miterben gestellt wird und ein anderer Miterbe das Vorliegen eines Insolvenzgrundes bestreitet.
1. Zahlungsunfähigkeit
Rz. 28
Die Zahlungsunfähigkeit ist in § 17 Abs. 2 S. 1 InsO legal definiert:
Zitat
§ 17 Zahlungsunfähigkeit
(1) (…)
(2) 1Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. 2Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Rz. 29
Grundsätzlich ist von einer Zahlungseinstellung auszugehen, wenn der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen eingestellt hat. Dem BGH zufolge genügt hierzu bereits die Nichtzahlung eines erheblichen bzw. wesentlichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten:
Zitat
"Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist. Eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind. Gleiches gilt, wenn der Schuldner infolge der ständigen verspäteten Begleichung seiner Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben hat und demzufolge ersichtlich am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierte. Aus Rechtsgründen genügt es, wenn die Zahlungseinstellung aufgrund der Nichtbezahlung nur einer – nicht unwesentlichen – Forderung gegenüber einer einzigen Person erkennbar wird. Für eine erfolgreiche Anfechtung muss das dann allerdings gerade der Anfechtungsgegner sein."
Rz. 30
Wann der Schuldner seine Zahlungen in vorstehendem Sinne eingestellt hat, ist für Außenstehende oftmals schwer erkennbar, es sei denn, der Schuldner hat gegenüber seinen Gläubigern ausdrücklich erklärt, generell keine weiteren Zahlungen erbringen zu können. Während derart eindeutige Erklärungen in Regelinsolvenzen die Ausnahme sein dürften, kommt es in Nachlassinsolvenzen häufig vor, dass Erben oder für diese bestellte Nachlasspfleger den Gläubigern mitteilen, sie könnten angesichts unklarer Vermögensverhältnisse oder aufgrund mutmaßlicher Überschuldung bis auf weiteres keine Nachlassverbindlichkeiten befriedigen. Soweit solche Erklärungen innerhalb der ersten drei Monate nach dem Erbfall abgegeben werden, ist zu beachten, dass Erben bzw. an ihrer Stelle handelnde Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter gemäß § 2014 BGB die sog. Dreimonatseinrede haben. Danach können die Genannten die Befriedigung einer Nachlassverbindlichkeit in den ersten drei Monaten nach Erbschaftsannahme bzw. Bestallung ohne weiteres verweigern. Diese Vorschrift soll den Betreffenden – mit Rücksicht auf § 1979 BGB