I. Wahrnehmung rechtlicher Interessen für Versicherungsnehmer
1. Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen durch den Anwalt
Rz. 6
Die Funktion des Anwaltes für die Rechtsschutzversicherung besteht darin, die Leistung, die die Rechtsschutzversicherung als Schadenversicherer schuldet, zu erbringen. Es handelt sich hierbei um die Wahrnehmung fremder rechtlicher Interessen, vermittelt und finanziert durch die Rechtsschutzversicherung als Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten.
Der Rechtsanwalt des VN handelt gegenüber dem Rechtsschutzversicherer als Vertreter des VN. Dies gilt auch dann, wenn die Einschaltung des Rechtsanwaltes nicht durch den VN selbst erfolgt, sondern durch die Rechtsschutzversicherung initiiert wurde.
Rz. 7
Die durch die Rechtsschutzversicherung zu erbringende Versicherungsleistung ist inhaltlich verbunden mit der Wahrnehmung rechtlicher Interessen durch den Anwalt. Die anwaltliche Tätigkeit als Wahrnehmung rechtlicher Interessen ist also die Umsetzung der Versicherungsleistung, zu deren Besorgung – und Finanzierung – die Rechtsschutzversicherung als Sachversicherung verpflichtet ist. Das Verhältnis zwischen Anwaltschaft und Rechtsschutzversicherung bietet nicht selten Anlass zu Konflikten. Diese Feststellung beruht auf dem Ergebnis einer Umfrage des Soldan Instituts für Anwaltmanagement e.V.
2. Das Recht der freien Anwaltswahl
a) Der Grundsatz der Anwaltswahl
Rz. 8
Den ARB liegt gem. § 127 VVG (§ 158m VVG a.F.) der Grundsatz der freien Anwaltswahl zugrunde. Im Übrigen enthält § 127 Abs. 2 VVG eine Erweiterung der Begriffsbestimmung des zu wählenden Anwaltes. Hiernach gilt, dass Rechtsanwalt auch ist, "… wer berechtigt ist, unter einer der in der Anlage zu § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9.3.2000 (BGBl I, S. 182, 1349) … beruflich tätig zu werden". Die ergänzende Regelung beinhaltet also eine Ausweitung der Rechtsschutzdeckung für die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte.
b) Der Grundsatz und das Recht der freien Anwaltswahl
Rz. 9
Der Grundsatz und das Recht der freien Anwaltswahl wurden unter dem Aspekt diskutiert, ob es mit dem Recht der freien Anwaltswahl vereinbar ist, wenn Rechtsschutzversicherungen finanzielle Anreize dafür bieten, dass der VN dem von der Rechtsschutzversicherung empfohlenen und benannten Anwalt das Mandat erteilt. Im Kern hat der BGH anerkannt, dass ein Rechtsschutzversicherer ein Schadenfreiheitssystem (ähnlich wie in der Kraftfahrthaftpflichtversicherung) einführen kann. Dieses System beinhaltet, dass ein Vertrag (auf Rechtsschutz) als schadenfrei gilt. Dies hat zur Folge, dass die Rückstufung entfällt und die Selbstbeteiligung niedriger wird, wenn der Versicherungsnehmer eine vom Versicherer empfohlene Anwaltskanzlei beauftragt.Maier wirft die Frage auf, welche Anreizsysteme rechtlich zulässig sind. Dabei ist an den Verzicht auf die Selbstbeteiligung bei Mandatierung des vom Versicherer vorgeschlagenen Anwalts oder Rechtsschutz erst nach erfolglos durchgeführter Mediation zu denken. Der BGH hat die Grenzen des zulässigen Rechts weit gezogen. Dem Urteil ist zu entnehmen, dass nur bei unzulässigem psychischen Druck in das Recht auf freie Anwaltswahl eingegriffen wird.
Rz. 10
Andererseits wird von einem Teil der Anwaltschaft das System der Schadensteuerung auf die Rechtsschutzversicherung als ein Verstoß gegen das Recht auf freie Anwaltswahl gewertet. Aktuell wird diskutiert, welche Auswirkungen der Inhalt der aktuellen Rechtsprechung des BGH zum Recht auf freie Anwaltswahl auf die Bedingungsgestaltung der einzelnen Rechtsschutzunternehmen haben wird. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass sich künftig das Steuerungsmanagement der Rechtsschutzversicherungen intensiver auswirken wird.
3. Anwalt und Rechtsschutz
a) Allgemeines
Rz. 11
In der Praxis ist es so, dass der rechtsschutzversicherte Mandant sich regelmäßig unmittelbar an den Anwalt seines Vertrauens wendet. Dieser wiederum holt die Deckungszusage ein. Die Einholung der Deckungszusage gilt gebührenrechtlich als gesonderte anwaltliche Tätigkeit. Bisher war es so, dass für die Einholung der Deckungszusage der Anwalt keine besondere Vergütung berechnete. Aus Wettbewerbsgründen verzichteten die Anwälte auf eine separate Gebührenberechnung. Inzwischen aber ist diese The...