Rz. 92

Der bestehende Arbeitsvertrag und die Zusatzvereinbarung für den Auslandseinsatz unterliegen i.d.R. deutschem Recht. Die Arbeitsvertragsparteien können nach Art. 3 VO (EG) 593/08 das anzuwendende Recht frei wählen, was dem Grundsatz der Privatautonomie Rechnung trägt. Hier wurde der Art. 27 EGBGB weitgehend übernommen, nur bei der stillschweigenden Rechtswahl gab es kleine sprachliche Anpassungen. Diese Wahlfreiheit geht sogar so weit, dass eine direkte Auslandsberührung des Arbeitsverhältnisses nicht bestehen muss. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 3 VO (EG) 593/08 kann sich die Rechtswahl auch nur auf bestimmte Teile des Vertrags beziehen. Die Rechtswahl kann auch nachträglich erfolgen. So kann bspw. i.R.d. Abschlusses der Zusatzvereinbarungen für den Auslandseinsatz auch für den schon bestehenden Arbeitsvertrag das anzuwendende Recht nachträglich gewählt werden. Den Arbeitsvertragsparteien ist anzuraten, sich für die Wahl des deutschen Rechts zu entscheiden. Sie kennen sich in ihrer Heimatrechtsordnung aus und entgehen auf diese Weise u.U. weitreichenden Konsequenzen, die sich für sie aus der Rechtswahl einer unbekannten Rechtsordnung ergeben können. Durch die ausdrückliche Rechtswahl deutschen Rechts wird auch vermieden, dass immer ein Vergleich zwischen deutscher und ausländischer Rechtsordnung vorgenommen werden muss.

 

Rz. 93

Haben die Arbeitsvertragsparteien eine ausdrückliche Rechtswahl nicht getroffen, ist das Arbeitsvertragsstatut zu ermitteln. Es ist mithin festzustellen, ob die Arbeitsvertragsparteien evtl. stillschweigend oder konkludent eine Rechtswahl vorgenommen haben. Die Annahme einer konkludenten Rechtswahl hängt von Indizien ab, deren Häufung und Gewichtung den Schluss auf den tatsächlichen Willen zu einer Rechtswahl rechtfertigen können. Als solche Indizien können die Bezugnahme auf Tarifverträge und sonstige Regelungen am Sitz des Arbeitgebers sowie Gerichtsstandvereinbarungen fungieren.[11]

 

Rz. 94

Treffen die Arbeitsvertragsparteien eine Zusatzvereinbarung für den Auslandseinsatz zu dem bestehenden Arbeitsvertrag, der deutschem Recht unterlag, werden sich aus diesem Arbeitsvertrag Indizien herleiten lassen, die eine konkludente Wahl deutschen Rechts rechtfertigen können. Ist eine konkludente Rechtswahl nicht anzunehmen, ist das maßgebliche Recht anhand objektiver Kriterien nach Art. 8 Abs. 2 VO (EG) 593/08 zu ermitteln. Soweit davon ausgegangen werden kann, dass es sich nur um einen vorübergehenden Auslandseinsatz des Arbeitnehmers i.S.d. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 593/08 handelt, d.h., dass der gewöhnliche Arbeitsort des Arbeitnehmers weiterhin im inländischen deutschen Unternehmen liegt, wird auch in diesen Fällen deutsches Recht anwendbar sein. Teilweise ist jedoch die Abgrenzung, wann noch eine vorübergehende ausländische Beschäftigung vorliegt, im Einzelfall äußerst kompliziert, weil keine starren Zeitgrenzen bestehen, bis zu welchen eine solche noch angenommen werden kann. Dies muss dann anhand der Umstände des Einzelfalls ermittelt werden.[12] Entscheidend ist, dass von dem Arbeitnehmer erwartet wird, dass er nach Beendigung seines Arbeitseinsatzes im Ausland seine Arbeit im Herkunftsland wieder aufnimmt. Der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit dem ursprünglichen Arbeitgeber oder einem mit diesem durch dieselbe Unternehmensgruppe verbundenen neuen Arbeitgeber ist dabei unschädlich.[13]

 

Rz. 95

Festzuhalten ist, dass bei Auslandstätigkeiten, bei denen der deutsche Arbeitsvertrag bestehen bleibt und eine Zusatzvereinbarung den Auslandseinsatz regelt, regelmäßig deutsches Recht von den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden sollte. Nur hierdurch kann erreicht werden, dass das Individualarbeitsrecht der deutschen Rechtsordnung zur Anwendung kommt und in einem Streitfall nicht noch durch die Beurteilung der Gesamtumstände des Einzelfalls ermittelt werden muss, welche Rechtsordnung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.

 

Rz. 96

Auch wenn das deutsche Recht vereinbart und auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass das Arbeitsverhältnis im Ausland erfüllt wird. Hieraus folgt, dass das ausländische Recht nicht gänzlich unberücksichtigt bleibt. Das ausländische Recht ist nach Art. 12 Abs. 2 VO (EG) 593/08 als Recht des Erfüllungsorts insoweit zu berücksichtigen, als die Art und Weise der Vertragserfüllung betroffen ist. Art. 12 Abs. 2 VO (EG) 593/08 ist auch auf Arbeitsverhältnisse anwendbar und regelt die kollisionsrechtlichen Fragestellungen bei einem ausländischen Erfüllungsort. In der Gesetzesbegründung werden als zu berücksichtigende fremdstaatliche Regelungen insb. die Feiertagsregelungen genannt. Auch andere Modalitäten der Arbeitsleistung sind dem Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 2 VO (EG) 593/08 zuzuordnen. Daneben kommen ausländische Normen insb. noch dann zur Anwendung, wenn sie von dem ausländischen Staat mit international zwingender Wirkung ausgestattet wurden. Die VO (EG) 593/08 enthält keine Regelung über die Anwendung zwin...

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