Rz. 101

Der Arbeitgeber kann seinen Arbeitnehmer nur aufgrund einer vertraglichen Grundlage in das Ausland entsenden. Das allgemeine Weisungsrecht – also das Recht des Arbeitgebers, die im Arbeitsvertrag nur umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers einseitig konkretisieren zu können (auch Direktionsrecht genannt) – ist hierfür nicht ausreichend.[19]

Aus diesem Grund sind Arbeitsverträge in internationalen Unternehmen so ausgestaltet, dass der Arbeitgeber sich vorbehält, den Arbeitnehmer entspr. seiner fachlichen Qualifikationen jederzeit auf einem anderen Arbeitsplatz einzusetzen. Teilweise wird diese Öffnungsklausel in den Arbeitsverträgen so weit ausgestaltet, dass der Arbeitnehmer sich auf jederzeitige Weisung seines Arbeitgebers verpflichtet, auch in anderen Niederlassungen oder Tochtergesellschaften im In- und Ausland seiner Tätigkeit nachzugehen. Enthält der Arbeitsvertrag eine solche eindeutige Verpflichtung des Arbeitnehmers, kann der Arbeitgeber ihn ohne weitere Mitwirkung des Arbeitnehmers einseitig anweisen, die Auslandstätigkeit anzutreten. Der Arbeitgeber ist bei der Ausübung dieses Rechts jedoch nicht uneingeschränkt frei, sondern es unterliegt einer gerichtlichen Nachprüfbarkeit und muss billigem Ermessen i.S.d. § 315 BGB entsprechen.[20] Ob die Anweisung des Arbeitgebers dem billigen Ermessen entspricht, ist durch eine umfassende Interessenabwägung festzustellen. Auf der Seite des Arbeitgebers sind dabei die betrieblichen Erfordernisse zu berücksichtigen, seitens des Arbeitnehmers dessen persönliche Verhältnisse wie z.B. Familie, Kinder, Tätigkeitsort und dessen Entfernung zum Heimatland. Hierbei ist die negative Freizügigkeit des Art. 11 GG, d.h. das Recht, seinen Lebensmittelpunkt zur Ausübung eines Berufs nicht unbedingt wechseln zu müssen, zu beachten. Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gegen dessen Willen längere Zeit im Ausland einsetzen, müssen daher schon außerordentliche dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, damit diese Abwägung zu seinen Gunsten ausfällt.

Möglich ist nach dieser Klausel eine Anweisung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer für kurze Tätigkeiten im Ausland einzusetzen.

 

Rz. 102

Besteht eine solche arbeitsvertraglich vereinbarte Befugnis nicht, erfordert der langfristige Auslandseinsatz eine einvernehmliche Änderung des bisher bestehenden Arbeitsvertrags. Diese Modifikationen sowie die zusätzlich vom Arbeitgeber zu gewährenden Leistungen sollten zur Rechtssicherheit beider Parteien in einer gesonderten Vereinbarung festgehalten werden.

Liegt eine arbeitsvertragliche Befugnis des Arbeitgebers nicht vor und weigert sich der Arbeitnehmer, den bestehenden Arbeitsvertrag diesbezüglich einvernehmlich zu ändern, bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit, eine Änderungskündigung (§ 2 KSchG) auszusprechen.

Bei diesen ganzen Punkten darf jedoch nicht übersehen werden, dass eine Entsendung gegen den grds. Willen des Arbeitnehmers nur in den seltensten Fällen zu einem erfolgreichen Auslandseinsatz führt. Nicht umsonst werden solche Möglichkeiten auch bei Personalabbaustrategien geprüft.

 

Rz. 103

[19] Küttner/Kreitner, Auslandstätigkeit, Rn 5.
[20] Gerauer/Gnann, S. 62; Ahrend/Förster/Rößler, 9. Teil, Rn 31.

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