Dieter Trimborn van Landenberg
Rz. 192
An eine Verwirkung des Auskunftsrechts ist dann zu denken, wenn der Vollmachtgeber längere Zeit keine Auskunft verlangt hat, und der Bevollmächtigte berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass auch in Zukunft keine Auskunft verlangt werde. Andererseits steht es jedem frei, die Geltendmachung seiner Rechte bis zum Ablauf der Verjährungsfrist nicht geltend zu machen. Insoweit stellt sich die Frage, welche besonderen Umstände der Bevollmächtigte für sich in Anspruch nehmen darf, die zu einer Verwirkung führen.
Das OLG Koblenz hat – allerdings bezogen auf die Auskunftsansprüche nach §§ 2027, 2028 BGB – entschieden, dass ein Miterbe nach zehn Jahren keine Informationen mehr schuldet, wenn so lange nichts unternommen wurde, um die Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen. Zu lange sollte man also nicht warten, sonst heißt es "selbst schuld", oder wie es das OLG Koblenz in wohlgesetzten Worten formuliert:
Zitat
Die Erfüllung des Auskunftsanspruchs setzt vor allem ein noch vorhandenes Erinnerungsvermögen voraus. Dieses ist durch eine erhebliche Vergänglichkeit geprägt, die es mit fortschreitendem Zeitablauf als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt, wenn sich der Berechtigte nach Jahren der Tatenlosigkeit auf den ihm grundsätzlich noch zustehenden Auskunftsanspruch beruft.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass es einem Miterben ohne entsprechende Auskunft u.U. erschwert sein kann, seinen fortbestehenden Auseinandersetzungsanspruch durchzusetzen. Dieser dann möglicherweise faktische Eigentumsverlust ist auch im verfassungsrechtlichen Lichte hinzunehmen, wenn er durch das eigene Verhalten des Anspruchsberechtigten veranlasst ist.
Hatte der BGH es noch offengelassen, ob die Grundsätze der Verwirkung des Auskunftsanspruchs auch auf den Herausgabeanspruch gem. § 667 BGB ausstrahlen, ist dies untergerichtlich und in der Literatur inzwischen einhellige Meinung. Pamp bemerkt zutreffend, dass dem Bevollmächtigten wenig gedient sei, wenn er im Rahmen des Leistungsanspruchs sozusagen durch die Hintertür doch im Einzelnen darlegen und beweisen müsste, wofür das Erlangte verwendet wurde.
Rz. 193
Keinen Vertrauenstatbestand dürfte die altersbedingte Passivität des Vollmachtgebers begründen. Im Gegenteil: Mangelnde Kontrolle ist keine besondere, sondern gerade typische Ausprägung eines Auftragsverhältnisses, das auf Vertrauen gründet und nicht selten zu völliger Abhängigkeit – vor allem auch emotional – vom Bevollmächtigten führt. In einer solchen Situation wird der Vollmachtgeber nicht ohne Not eine "Kultur des strengen Rapports" pflegen. In vielen Fällen wird er gar nicht in der Lage sein, seine Rechte auszuüben. Dann werden regelmäßig andere Personen, insbesondere die Erben, einen Einblick in die Vermögensverhältnisse nehmen können. Ein redlicher Bevollmächtigter wird immer damit rechnen müssen, sich auch vor Rechtsnachfolgern für sein Handeln zu verantworten.
Rz. 194
Der BGH führt hierzu aus:
Zitat
"Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass ein Anspruch auf Rechnungslegung entfallen kann, wenn er jahrelang nicht geltend gemacht worden ist. Denn eine nachträgliche Erhebung kann dann unter Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen. (…) Es hat aber nicht beachtet, dass eine solche Beurteilung ausgeschlossen ist, wenn nachträglich beachtliche Gründe für die Nachholung der Rechnungslegung beigebracht werden. Diese Voraussetzungen sind vor allem dann gegeben, wenn der Berechtigte Tatsachen nachweist, die geeignet sind, Zweifel an der Zuverlässigkeit des Pflichtigen und seiner Geschäftsführung zu erwecken."
Rz. 195
Eine Verwirkung durch Zeitablauf wird meistens durch weitere Faktoren unterstützt, wenn erkennbar kein Missbrauch vorliegt. Das LG München hatte in diesem Zusammenhang das Auskunftsbegehren eines Testamentsvollstreckers zur Vorbereitung von Rückforderungen gegen die langjährige Lebensgefährtin des Erblassers zurückgewiesen. Die im Zeitpunkt der Entscheidung 83-jährige Lebensgefährtin lebte seit über 20 Jahren in häuslicher Gemeinschaft mit dem Erblasser, den sie bis zum Schluss gepflegt hatte. Zwischen 2001 und 2009 wurden von ihr ein bis zweimal jährlich Barbeträge in Höhe von bis zu 5.500 EUR abgehoben. Das LG München hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen:
Zitat
Zwischen dem Erblasser und der Beklagten fehlte es nämlich an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen. Im Rahmen eines besonderen Vertrauensverhältnisses, wie es eine langjährige Lebenspartnerschaft ist, wird in der Regel keine Auskunft oder Rechenschaft verlangt, mit der Folge, dass auch Herausgabeansprüche nicht bestehen. Der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft soll grundsätzlich nicht im Nachhinein mit dem einseitigen Risiko belastet werden, Ausgaben bzw. die Verwendung von Geldern näher angeben und belegen zu müssen.
Gerade bei einem langjährigen nichtehelichen Lebensverhältnis, wie es hier vorliegt, kann nicht erwartet werden, dass der Bevollmächtigte sich über die Jahre Notizen macht und Bele...