Dieter Trimborn van Landenberg
Rz. 4
Das Abstraktionsprinzip gebietet eine Trennung zwischen der Vertretungsmacht auf der einen und dem notwendigerweise zwischen Vertreter und Vertretenem bestehenden Rechtsverhältnis auf der anderen Seite.
Während die Vertretungsmacht nach außen das "Können" bestimmt, regelt das Innenverhältnis das "Dürfen". Letzteres ist in den wenigsten Fällen ausdrücklich zwischen den Parteien geregelt, so dass im Falle einer späteren Überprüfung des Vertreterhandelns zunächst die Frage zu beantworten ist, worauf der Vertretene bzw. dessen Erbe sein Informationsinteresse stützen kann.
Rz. 5
Wo es an schriftlich Niedergelegtem fehlt, werden typischerweise von äußeren Umständen und dem Handeln der Parteien Rückschlüsse auf das Innenverhältnis gezogen. Dies kann je nach Perspektive zu unterschiedlichen Bewertungen führen. Umso genauer muss der Rechtsanwalt nicht nur den Sachverhalt erfassen, sondern auch die rechtlichen Kriterien kennen, die das jeweilige Innenverhältnis charakterisieren.
I. Auftragsverhältnis
Rz. 6
Der häufigste Fall eines der Bevollmächtigung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ist der Auftrag gem. § 662 BGB, wonach sich der Auftragnehmer durch die Annahme eines Auftrages verpflichtet, ein ihm vom Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen.
Zentrale Rechtsfolge des Auftrags ist neben der hier interessierenden Pflicht zur Auskunft und Rechenschaft gem. § 666 BGB die Pflicht zur Herausgabe des aus der Ausführung des Auftrags Erlangten gem. § 667 BGB.
1. Zustandekommen des Auftragsverhältnisses
Rz. 7
Voraussetzung für die Annahme eines Auftrags ist aber ein Vertragsschluss, der notfalls bewiesen werden muss. Da Auftragsverhältnisse meist von einer persönlichen Nähe der Parteien geprägt sind und aufgrund der Vertrauensstellung, die der Bevollmächtigte zumindest beim Vertretenen hatte, sind schriftliche Auftragsverträge eine Seltenheit. Auch in den gängigen Formularsammlungen findet sich kaum ein Vorschlag, wie das Innenverhältnis geregelt sein soll.
Also behilft sich die Rechtspraxis mit der Annahme eines konkludent geschlossenen Vertrages. Als Rechtsanwalt des Vertretenen bzw. dessen Erben wäre es nun voreilig, aus Gründen der Bequemlichkeit einfach einen konkludenten Vertrag anzunehmen, nur weil man nichts schriftlich hat und man den Vertreter irgendwie zur Verantwortung ziehen möchte.
Rz. 8
Nach objektiven Merkmalen ist das Auftragsverhältnis leicht abzuleiten: Das Vertragsangebot ist regelmäßig in der Vollmachtserteilung bzw. Aushändigung der Vollmachtsurkunde zu sehen. Angenommen wird das Angebot zur Übernahme des Auftrags spätestens mit Beginn des Tätigwerdens.
Die äußeren Umstände sind zwar ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Auftrages, aber fraglich ist, ob die Parteien sich damit schon auf eine Leistungspflicht des Bevollmächtigten, die gem. § 241 Abs. 1 BGB jedes Schuldverhältnis ausmacht, verständigt haben. Fehlt ein solcher Rechtsbindungswille, fehlt es auch an einem Auftragsverhältnis, mit der Folge, dass ein Gefälligkeitsverhältnis anzunehmen ist, das gerade keine Auskunftspflichten beinhaltet.
Rz. 9
Die Feststellung dieses Rechtsbindungswillens kann im konkreten Fall erhebliche Schwierigkeiten bereiten, weil keine schematische Prüfung möglich ist. Vielmehr ist in einer Gesamtschau aller Umstände aus Sicht des objektiven Betrachters auf den vorhandenen oder fehlenden Rechtsbindungswillen zu schließen. Nach Ansicht des BGH kommt es auf die Art der Gefälligkeit, ihren Grund und Zweck, ihre rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung, insbesondere für den Empfänger, die Umstände, unter denen sie erwiesen werden, und die dabei bestehende Interessenlage der Parteien an.
Rz. 10
Um diese Generalformel etwas mit Leben zu füllen, bietet sich je nach "Gefechtslage" der Rückgriff auf die verschiedenen Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, die zur Frage des Rechtsbindungswillens Erhellendes beigetragen haben:
Von zentraler Bedeutung im Bereich des Vollmachtsmissbrauchs sind die wirtschaftlichen Interessen des Auftraggebers. Wenn erhebliche Vermögenswerte auf dem Spiel stehen und der Vollmachtgeber sich auf die Leistungszusage des Bevollmächtigten für diesen erkennbar verlässt, ist immer von einem Rechtsbindungswillen auszugehen. Das OLG Frankfurt hat konkret entschieden, dass mit Rechtsbindungswillen handelt, wer Schecks mit insgesamt fünfstelliger (DM-)Summe in fremdem Auftrag weiterzuleiten hat.
Das OLG Brandenburg sah in der Erteilung einer Kontovollmacht über gut gefüllte Konten des Vollmachtgebers ein starkes Indiz für ein Auftragsverhältnis und erteilte dem Bevollmächtigten, der sein "Kümmern" als Gefälligkeit gewertet haben wollte, eine klare Abfuhr:
Zitat
"Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles. Insbesondere kann es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf ankommen, in welchem Umfang er von der Vollmacht Gebrauch gemacht hat. Maßgeblich sind vielmehr die Verhältnisse in dem Zeitpunkt, in dem ihm die Vollmacht eingeräumt worden ist. Entscheidend ist, dass der Beklagte von den erheblichen Vermögenswert...