Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 22
Fall 4:
Der Italiener I mit gewöhnlichem Aufenthalt/Wohnsitz in Italien ist als Tourist zu einem Fußballspiel nach Berlin gereist. Er erleidet einen Herzanfall, an dessen Folgen er in der Charité Berlin verstirbt.
a) Bisherige Rechtslage
Rz. 23
Anwendbares Recht:
Über Art. 25 Abs. 1 EGBGB war wegen der italienischen Staatsangehörigkeit italienisches Recht berufen (auf den Sterbeort in Deutschland kommt es nicht an).
Rz. 24
Konnte in Deutschland auch ein Erbschein beantragt werden? Voraussetzung war, dass ein deutsches Gericht international, örtlich und sachlich zuständig war.
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Sachliche Zuständigkeit: Amtsgericht (siehe oben Rn 17) |
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Örtliche Zuständigkeit: § 343 Abs. 1 FamFG (bisherige Fassung), der Erblasser hatte seinen (schlichten) Aufenthalt in Berlin |
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Internationale Zuständigkeit: § 105 in Verbindung mit § 343 Abs. 1, die Internationale Zuständigkeit folgt aus der örtlichen Zuständigkeit (hier schlichter Aufenthalt ausreichend). |
Ergebnis: Es konnte ein deutscher Erbschein beantragt und erteilt werden.
Rz. 25
In aller Regel kam es aber gar nicht zum Erbscheinsverfahren, weil für die Erben keine Notwendigkeit besteht, die Erbfolge dem Rechtsverkehr in Deutschland gegenüber nachzuweisen, wenn der Erblasser hier gar kein Vermögen hatte. Die Erben haben vielmehr ihre Erbenstellung nur gegenüber dem italienischen Rechtsverkehr nachweisen müssen. Der italienische Rechtsverkehr verlangt aber einen italienischen Erbschein, keinen deutschen.
Rz. 26
Anmerkung: Nach ganz altem Recht (vor dem Inkrafttreten des FamFG) waren in einer solchen Konstellation die deutschen Gerichte gar nicht zuständig; aber auch unter der Geltung des bisherigen Rechts wurde ein deutscher Erbschein nur dann beantragt, wenn er notwendig war. Das war nur dann der Fall, wenn sich überhaupt Vermögensgegenstände des Erblassers in Deutschland befanden.
b) Rechtslage unter Anwendung der ErbVO
Rz. 27
Italienisches Recht ist anwendbar (Art 21 ErbVO), international zuständig ist Italien (Art. 4 ErbVO), nicht Deutschland; in Italien kann ein italienischer Erbnachweis erteilt werden und ggf. ein ENZ (sofern der Erblasser Vermögen in einem Mitgliedstaat hatte, vgl. Art. 62 Abs. 1 ErbVO).
Zur Internationalen Zuständigkeit für die Erteilung eines deutschen Erbscheins (nicht des ENZ) nach §§ 105, 343 Abs. 3 n.F. FamFG – (siehe Rn 25), sie ist nach wie vor – also auch nach neuem Recht – gegeben, wenn sich in Deutschland ein Nachlassgegenstand befindet, also z.B. schon dann, wenn der Erblasser hier nur seine Reisetasche hinterlassen hat.