Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 42
Fall 6:
Der Däne D lebt in Deutschland, er verstirbt an seinem letzten Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt in Hamburg
a) Bisherige Rechtslage
Rz. 43
Anwendbares Recht:
Wegen Art. 3 EGBGB war zu klären, ob ein Staatsvertrag vorliegt. Das ist nicht der Fall, also ist Art. 25 Abs. 1 EGBGB anzuwenden. Wegen der dänischen StA des Erblassers ist dänisches Recht maßgeblich.
Über Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB war aber eine Verweisung (auch = vorrangig) in das IPR/Kollisionsrecht von Dänemark angeordnet. Es ist also zu schauen, wie das dänische Kollisionsrecht den Fall anknüpft.
Hinweis
Dänisches IPR bestimmt: Die Erbfolge richtet sich nach dem Recht am letzten Wohnsitz des Erblassers.
Rz. 44
Das dänische Recht nimmt damit eine sogenannte Rückverweisung vor, weist also den Fall nach Deutschland zurück. Wenn das dänische Recht seine Verweisung (auf den Wohnsitz) nun auch als eine solche begreift, die in das Kollisionsrecht geht (hier also EGBGB) würde ein Ping-Pong-Spiel ohne Ende die Folge sein (deutsches IPR – dänisches IPR – deutsches IPR – dänisches IPR und so fort).
Wann diese Kette abzubrechen ist, kann aus deutscher Sicht nur das deutsche Recht entscheiden, nicht das dänische Recht. Gem. Art. 4 Abs. 1 S 2 EGBGB ist die Kette in Deutschland abzubrechen, d.h. konkret, eine Rückverweisung des fremden Rechts wird immer als Verweisung in das Sachrecht (BGB) begriffen, nicht als eine solche in das IPR (EGBGB) – egal wie der andere Staat seine eigene Regel anwenden will/ausgeformt hat.
Rz. 45
Dänisches Recht (und zwar dänisches IPR) war daher über Art. 25 Abs 1, Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB berufen; das dänische IPR knüpft die Erbfolge an den Wohnsitz des Erblassers an. Der Wohnsitz befand sich in Deutschland, also ist deutsches Sachrecht berufen (Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB, egal, was das dänische Recht zu dieser Frage sagt. Der dänische Erblasser wird also nach § 1924 ff. BGB beerbt.
Rz. 46
Zuständigkeit:
Die örtliche Zuständigkeit liegt vor (§ 343 Abs. 1 FamFG a.F. – Wohnsitz) und damit auch die internationale Zuständigkeit (§ 105 FamFG). Es wird ein "normaler" Erbschein nach § 2353 (ggf. § 2357 BGB) erteilt, denn deutsches Recht beherrscht die Erbfolge, nicht ausländisches.
b) Rechtslage unter Anwendung der ErbVO
Rz. 47
Dänemark wird wie ein Drittstaat behandelt (weil es sich – insgesamt – nicht an den EU-Verordnungen beteiligt); darauf kommt es aber hier gar nicht an, sondern deutsches Recht ist über Art. 21 ErbVO (gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers in Deutschland) unmittelbar berufen; ebenso besteht die deutsche Zuständigkeit (Art. 4 ErbVO). Gleiches ergibt sich im Übrigen, wenn der Erblasser die StA eines Nicht-EU-Staates hat (z.B. USA oder eines afrikanischen Staates). Hatte der Erblasser sein dänisches Heimatrecht nach Art. 22 ErbVO gewählt (das kann er, vgl. Art. 20 ErbVO), so ist die Rückverweisung des dänischen Rechts über Art. 34 Abs. 2 ErbVO unbeachtlich, das deutsche Nachlassgericht wendet in diesem Fall also auf die Erbfolge unmittelbar dänisches Erbrecht (bzw. das betreffende gewählte Recht eines Nicht-EU-Staates – US-Staat, afrikanischer Staat – an. Eine Abgabe an die dänischen Gerichte (bzw. US Gerichte, afrikanischen Gerichte) kommt nicht in Betracht.
Rz. 48
Anmerkung:
In den Fällen 5(a), 5(b) und 5(c) (siehe Rn 28, 36, 39) zum bisherigen Recht mit einem italienischen Erblasser wurde "unterschlagen" in das italienische IPR zu schauen (es wurde also die Vorgabe des Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB nicht umgesetzt). Da das italienische IPR die Erbfolge (wie das deutsche IPR) an die Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpfte, ergibt sich jedoch keine Änderung. Löst man die Fälle mit diesem Schritt erneut, ergibt sich folgendes Bild:
Italienisches Recht ist über Art. 25 Abs. 1 EGBGB maßgeblich, aber über Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB zunächst das italienische IPR. Dieses weist ebenfalls auf die Staatsangehörigkeit, es kommt also nicht zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht als Wohnsitzrecht, sondern italienisches Sachrecht ist berufen. (Das Endergebnis ändert sich nicht, weil das italienische IPR das italienische Sachrecht auf den Fall anwendet).
Rechtslage unter Anwendung der ErbVO: Es ergibt sich keine Änderung, weil die Verweisungen stets nur in das Sachrecht gehen (sofern nicht auf das Recht eines Drittstaates verwiesen wird).