Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 53
Das Grundbuchamt musste einen (deutschen) Erbschein verlangen (§ 35 Abs. 1 S. 1 GBO a.F.).
Überlegungen zum anwendbaren Recht: Über Art. 25, Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB war französisches Recht, und zwar zunächst französisches IPR maßgeblich.
Hinweis
Französisches IPR, Grundregel: Die Rechtsnachfolge wird an den Wohnsitz des Erblassers angeknüpft.
Ausnahme: Die Erbfolge in Grundstücke wird an das Recht des Ortes angeknüpft, in dem das Grundstück liegt.
Rz. 54
Daraus folgt für Fall 8(a): Das französische IPR beruft wegen des Wohnsitzes des Erblassers in Frankreich das französische Sachrecht (der Erblasser wird also nach französischem Erbrecht beerbt). Das gilt aber nicht für das deutsche Grundstück, denn in Bezug auf dieses nimmt das französische IPR eine Rückverweisung auf deutsches Recht (als Recht des Lageorts) vor, die das deutsche Recht seinerseits wiederum annimmt (Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB).
Ergebnis: Für das deutsche Grundstück galt (aus deutscher und französischer Sicht) deutsches Erbrecht. Das (deutsche) Nachlassgericht erteilte einen normalen Erbschein (auf dem Erbschein wird allerdings vermerkt, dass er nur für den unbeweglichen Nachlass gilt); die internationale und örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 343 Abs. 3, 105 FamFG.
Rz. 55
Für die Erbfolge nach dem Erblasser F waren also (aus deutscher Sicht bisher) zwei verschiedene Rechtsordnungen maßgeblich; es kam zu einer so genannten "Nachlassspaltung". Diese Aufspaltung des Nachlasses in zwei verschiedene Teile galt mit allen Konsequenzen: Häufig weichen die gesetzlichen Erbquoten der beteiligten Rechte voneinander ab. Die Miterben erben dann das abgespaltene Vermögen zu anderen Quoten als den übrigen Nachlass. Es konnte auch vorkommen, dass ein nach einer Rechtsordnung berufener Miterbe in Bezug auf den Nachlassteil, der einem anderen Erbstatut unterliegt, leer ausging. Auch sonst war zu beachten, dass es sich um zwei rechtlich völlige selbstständige Nachlassteile (oder Nachlässe) handelt. So galt z.B. eine gegenüber dem deutschen Nachlassgericht erklärte Ausschlagung nur in Bezug auf den "deutschen" Teil des Nachlasses, nicht im Hinblick auf den restlichen Nachlass. Am besten stellt man sich den Fall so vor, als handele es sich um zwei verschiedene Erblasser und um zwei verschiedene Nachlässe. Zu einer solchen Nachlassspaltung kam es immer dann, wenn der fremde Staat einzelne Gegenstände (i.d.R. Grundstücke) einer anderen Anknüpfung (meist Lageort) unterordnete als den übrigen Nachlass. Neben Frankreich sehen vor allem die USA und Großbritannien solche unterschiedlichen Anknüpfungen vor.