Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 95
Es ergeben sich keine Schwierigkeiten, wenn es beim Regelfall des Gleichlaufs zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht bleibt. Hatte der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, sind die österreichischen Gerichte zuständig (Art. 4 ErbVO) – international nunmehr für den gesamten Nachlass – und ist österreichisches Recht Erbstatut, so betrifft die Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens auch denjenigen Teil des Nachlasses, der sich außerhalb von Österreich befindet.
Erteilt das österreichische Gericht das ENZ, kann damit in Deutschland unproblematisch die Erbenstellung in das deutsche Vermögen nachgewiesen werden; aus deutscher Sicht ergeben sich keine Besonderheiten, auch nicht für das Grundbuchamt, denn die Erbenstellung steht fest (und das deutsche Sachenrecht erfordert keine Besonderheiten).
Rz. 96
Sind die deutschen Gerichte zuständig und beherrscht deutsches Recht die Erbfolge (bei gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland), liegt aus österreichischer Sicht ein Problem darin, dass es eben an der Einantwortung fehlt. Entsprechend müsste in Österreich – zumindest für das in Österreich befindliche Vermögen – das Verlassenschaftsverfahren durchgeführt werden. Insofern ist die Rechtslage vergleichbar mit der in den common law Staaten, deren Verfahrensrecht zwingend die Einschaltung von Nachlassverwaltern vorsieht (vgl. Art. 29 ErbVO).
Rz. 97
Eine besondere Regelung zu dieser ähnlichen Problematik, dass das Recht eines Mitgliedstaats für die Übertragung ein besonderes gerichtliches Verfahren vorsieht, findet sich in der ErbVO jedoch nicht. Es steht daher zu erwarten, dass in Österreich ein innerstaatliches Verfahren etabliert wird, um (für in Österreich befindlichen Nachlass) das Verlassenschaftsverfahren gegebenenfalls "nachzuholen", oder davon abzusehen, sofern die Erbfolge nicht dem österreichischen Recht unterfällt.
Ist ein deutsches Gericht (über Art. 4 ErbVO) international zuständig, unterliegt aber die Erbfolge dem österreichischen Recht (Rechtswahl), ist es zunächst möglich, dass es über Artt. 5 ff. ErbVO zu einer Abgabe an die österreichischen Gerichte kommt.
Hinweis
Hier gilt es abzuwägen, ob es im Einzelfall sinnvoll ist, eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen. Das hängt davon ab, ob und wie der österreichische Gesetzgeber auf das Fehlen einer Regelung in der ErbVO reagieren wird.
Rz. 98
Im umgekehrten Fall, wenn wegen des gewöhnlichen Aufenthalts eines deutschen Erblassers in Österreich die österreichischen Gerichte zuständig sind, der Erblasser aber eine Rechtswahl getroffen hatte und damit deutsches Recht die Erbfolge beherrscht, ist eine Abgabe an die deutschen Gerichte mit Gerichtsstandsvereinbarung gleichermaßen möglich Sie ist jedoch insofern nicht erforderlich, als es aus deutscher Sicht gleichgültig ist, ob die – nach deutschem Recht zwar nicht erforderliche aber jedenfalls unschädliche – Einantwortung durchgeführt wird.
Hier wird es bei den Überlegungen zur Gerichtsstandsvereinbarung darauf ankommen, wo sich der Großteil des Nachlasses befindet oder die Mehrheit der Erben. Sofern unbewegliches Vermögen in Österreich vorhanden ist, und der Erblasser österreichisches Recht gewählt hatte, dann aber seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte (grundsätzliche Zuständigkeit also der deutschen Gerichte), empfiehlt sich eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der österreichischen Gerichte sicherlich schon deshalb, weil dann das Verlassenschaftsverfahren unproblematisch durchgeführt werden kann, unabhängig davon, wie der österreichischem Gesetzgeber intern die Vorgaben der ErbVO umsetzen wird bzw. dann umgesetzt hat.