Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 3
Das Nachlassgericht (NLG) erteilt den Erbschein (vgl. § 2353 BGB). Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach § 23a Abs. 2 S. 2 GVG (Amtsgericht), die örtliche Zuständigkeit nach § 343 FamFG alte Fassung (nur insoweit war der letzte Wohnsitz von Belang, nicht aber für die Frage des anwendbaren Rechts; das richtete sich allein nach der Staatsangehörigkeit; der Wohnsitz gem. § 7 BGB wird sich regelmäßig mit dem gewöhnlichen Aufenthalt decken). Vorab ist aber (wie bei jedem Fall mit Auslandsbezug) die Internationale Zuständigkeit (der deutschen Gerichte) zu klären.
Rz. 4
Es gab dazu kein "Internationales Gesetz" im Sinne einer weltweit geltenden Regelung (etwa vergleichbar mit dem Völkerrecht), sondern jeder Staat regelte selbst, wann seine Gerichte international zuständig sind, die Frage der internationalen Zuständigkeit war daher dem Verfahrensrecht zu entnehmen, dem das Gericht unterliegt. Die Frage der internationalen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts richtete sich nach dem einschlägigen deutschen Verfahrensrecht (ZPO/FamFG); bei der Zuständigkeit im Erbscheinsverfahren also nicht nach der ZPO, sondern nach dem FamFG.
Die internationale Zuständigkeit ergab sich hier aus §§ 98 ff. FamFG. Da das Erbscheinsverfahren nicht ausdrücklich aufgeführt ist, galt insoweit die Regelung des § 105 FamFG für "andere Verfahren". Die Zuständigkeit ergab sich deshalb aus § 343 FamFG (in Verbindung mit § 105 FamFG). Ein deutsches Gericht war international zuständig, wenn die örtliche Zuständigkeit vorlag.
Rz. 5
Das (international und örtlich) zuständige Gericht – bislang – am letzten Wohnsitz des Erblassers (§ 343 Abs. 1 FamFG;) erteilt einen "normalen" Erbschein. Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger, weil kein Richtervorbehalt eingreift, insbesondere nicht § 16 Abs. 1 Nr. 6 RpflG, denn die Anwendung ausländischen Rechts kommt nicht in Betracht.
§ 5 Abs. 1 RpflG sieht eine Vorlagepflicht des Rechtspflegers an den Richter bei internationalen Erbfällen nicht vor; vielmehr gibt § 5 Abs. 2 RpflG dem Rechtspfleger nur ein Vorlagerecht, wenn die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt. Für den Richter, dem der Rechtspfleger eine "Sache" vorgelegt hat, gilt dann § 5 Abs. 3 RpflG, d.h. der Richter kann die Sache insbesondere an den Rechtspfleger zurückgeben.
Aus § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG ergibt sich jedoch ein Richtervorbehalt bei der Erteilung des Erbscheins, wenn die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt.
Rz. 6
Hatte der Erblasser Vermögen im Ausland, so bestand die Internationale Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts auch im Hinblick auf das ausländische Vermögen (über §§ 105, 343 FamFG); und zwar über das Vermögen weltweit, also auch nicht etwa nur begrenzt auf das Vermögen in den Mitgliedstaaten der EU.
Rz. 7
Dieser Erbschein war – anders als nach ganz altem Recht (FGG) – nach bisheriger Rechtslage (FamFG) nicht mehr nur auf das deutsche Vermögen beschränkt, sondern galt theoretisch für das gesamte Vermögen des Erblassers weltweit. Aus diesem Grunde wurden auch die Kosten für den Erbschein aus dem gesamten Vermögen des Erblassers weltweit erhoben. Es liegt jedoch auf der Hand, dass ein deutscher Erbschein nur für das deutsche Vermögen Bedeutung erlangt, da der deutsche Erbschein im Ausland grundsätzlich nicht anerkannt wurde. Aus diesem Grunde gestattete § 2369 BGB die Beschränkung des Antrages und damit auch des Erbscheins auf das inländische Vermögen.
Diese Beschränkung empfahl sich dem Antragsteller regelmäßig – sei es, dass ein deutscher Erblasser Vermögen im Ausland hatte, sei es dass ein ausländischer Erblasser Vermögen im Inland hatte, eben weil der deutsche Erbschein nur dem deutschen Rechtsverkehr nützte. Muss die Erbfolge im Ausland nachgewiesen werden, weil sich Vermögensgegenstände im Ausland befanden, so nützte der deutsche Erbschein nichts, denn er wurde im Ausland nicht anerkannt; für das ausländische Vermögen war dann ein ausländischer Erbnachweis im Ausland zu beantragen.