I. Entlassung als ultima ratio
Rz. 164
Der Betreuer kann während seiner Tätigkeiten Fehler begehen. Seine Entlassung durch das Betreuungsgericht stellt jedoch die ultima ratio, also das letzte Mittel, dar. Auf Pflichtverletzungen des Betreuers hat das Betreuungsgericht unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu reagieren. Es kann ihn zunächst zu einem Beratungsgespräch laden. Auch kann es ihm konkrete Anweisungen für die Durchführung einzelner Geschäfte geben.
Rz. 165
Als schärferes Mittel ist der Teilentzug der Betreuungsmacht, bzw. Teilentlassung und Bestellung eines Mitbetreuers möglich. Die gänzliche Entlassung des Betreuers stellt das letzte Mittel dar, sofern die vorherigen Maßnahmen nicht greifen. Der Betreuer ist vom Betreuungsgericht zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheit des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt (§ 1868 Abs. 1 S. 1 BGB). Der Entlassungsgrundsatz tendiert dahin, dass die Entlassung durchzuführen ist, wenn ein Verbleiben des Betreuers im Amt dem Wohl des Betreuten mehr als unerheblich schadet, wenn der Betreuer gerichtliche Hinweise missachtet oder schlichtweg überfordert ist.
II. Einzelne Pflichtverletzungen
Rz. 166
Als von der Rechtsprechung zur Entlassung herangezogene Pflichtwidrigkeiten des Betreuers kommen vor allem in Betracht:
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Betreiben der Entlassung des gemeingefährlichen Betreuten |
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Unangemessene Umgangsregelung mit den leiblichen Eltern oder Abkömmlingen |
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Verhinderung des Kontakts zu Verwandten ohne vernünftigen Grund |
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Verweigerung der Bereitstellung von finanziellen Mitteln zur Behebung einer erheblichen Krankheit des Betroffenen |
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Verschwenderisches Aufbrauchen des Vermögens des Betroffenen |
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Dauernde Verstöße gegen die Pflicht zur mündelsicheren Vermögensanlage |
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Aussichtslose Prozessführung |
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Kündigung einer privaten Zusatzversicherung zur Einsparung der monatlichen Zusatzkosten nur deswegen, weil der Betreute gesetzlich kranken- und pflegeversichert ist |
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Jahrelanges Verkennen eines über das Schonvermögen hinausgehenden Guthabens des Betreuten und darauf gründender Sozialhilfebezug |
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Fehlender Nachweis der ordnungsgemäßen Verwendung von Geldern |
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Verletzung der Pflicht, die Auskunft zu Rentenanwartschaften des Betreuten beim Rentenversicherungsträger einzuholen, um zu prüfen, ob eine Erwerbsminderungsrente erlangt werden kann. |
Grobe Pflichtverletzungen des Betreuers können die Kündigung des Heimplatzes des Betroffenen rechtfertigen.
III. Abberufungsverfahren
Rz. 167
§ 294 FamFG verweist für die Aufhebung der Betreuung auf die dort genannten FamFG-Vorschriften. Die Verweisungen lösen insbesondere folgende Tätigkeitspflichten des Betreuungsgerichts aus und besagen vor allem Folgendes:
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Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts richtet sich nach § 272 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, so dass dasjenige Betreuungsgericht zuständig ist, bei welchem die Betreuung anhängig ist. |
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Die persönliche Anhörung des Betroffenen durch den Richter ist vor der Aufhebung der Betreuung nicht vorgeschrieben. Nur wenn dies zur Sachverhaltsaufklärung notwendig erscheint (§ 26 FamFG), ist die persönliche Anhörung durchzuführen. Um dem Betroffenen jedoch rechtliches Gehör zu gewähren, ist er zumindest schriftlich anzuhören. |
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Angehörigen des Betroffenen und der Betreuungsbehörde ist gegebenenfalls die Möglichkeit der Stellungnahme zu geben (§ 279 Abs. 1, § 7 FamFG). |
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Der Aufhebungsbeschluss ist dem Betreuer, dem Betroffenen und der Betreuungsbehörde bekanntzumachen (§ 288 Abs. 2 FamFG). |
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Dem Betreuer steht das Recht zur Beschwerde zu (§ 68 Abs. 3 FamFG); die Beschwerde gegen die Aufhebung der Betreuung steht ebenfalls dem Betroffenen selbst, weiterhin den in ihren Rechten verletzten Personen gemäß § 59 Abs. 1, 2 FamFG sowie dem Personenkreis des § 303 FamFG zu. |