Rz. 6
Wichtige Regelung
Der Betreute ist vorbehaltlich seiner Geschäftsfähigkeit und dem Fehlen eines Einwilligungsvorbehaltes prozessfähig, bis der Betreuer eine Ausschließlichkeitserklärung abgibt, § 53 ZPO n.F.
Die Änderung des § 53 ZPO wirkt sich durch Verweisungen über den Zivilprozess hinaus auf zahlreiche andere Verfahren aus, so im Straf-, Arbeits-, Familien-, Insolvenz-, Finanz- und Sozialrecht.
I. Grundsätzliche Prozessfähigkeit, § 53 Abs. 1 ZPO n.F.
Rz. 7
Der Betreute wird nach § 53 Abs. 1 ZPO n.F. grundsätzlich prozessfähig sein und bleiben. Da dies den allgemeinen Regeln und Grundsätzen entspricht, ist dieser Absatz rein deklaratorisch. Der Betreute kann – vorbehaltlich der Geschäftsfähigkeit und dem Fehlen eines Einwilligungsvorbehaltes – eine Klage erheben, verklagt werden und am Prozess teilnehmen. Im Anwaltsprozess ist er der Ansprechpartner des Rechtsanwaltes; in seinem Aufgabenkreis tritt der Betreuer neben den Betreuten, so dass der Rechtsanwalt unter Umständen zwei Weisungsgeber hat.
Rz. 8
Sollte der Betreute geschäftsunfähig oder und ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet sein, hat das Gericht den Mangel der Prozessfähigkeit gem. § 56 Abs. 1 ZPO unverändert von Amts wegen zu berücksichtigen.
II. Ausschließlichkeitserklärung, § 53 Abs. 2 ZPO n.F.
Rz. 9
Mit § 53 Abs. 2 ZPO n.F. wird als neues Instrument die Möglichkeit der Abgabe einer Ausschließlichkeitserklärung für den Betreuer eingeführt. Zunächst muss er den Betreuten in dem Rechtstreit und damit auch in dem Aufgabenkreis vertreten, dann kann er die Erklärung in jeder Lage des Prozesses abgeben, § 53 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F. Er muss dazu schriftlich gegenüber dem Prozessgericht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle angeben, dass der Prozess in Zukunft nur noch durch ihn geführt wird. Er kann die Erklärung für die Zukunft wieder zurücknehmen, § 53 Abs. 2 S. 3 ZPO n.F., und muss das auch, wenn der Betreute den Prozess wieder selbst führen kann.
Rz. 10
Nach Thar ist die Ausschließlichkeitserklärung vom Betreuer gegenüber dem Betreuten und/oder Betreuungsgericht aufgrund von § 1821 BGB n.F. zu begründen.
Durch die Ausschließlichkeitserklärung steht der Betreute einer prozessunfähigen Person wiederum gleich, ist im Ergebnis prozessunfähig, § 53 Abs. 2 S. 2 ZPO n.F. Es wird keine Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes notwendig.
Der Betreuer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, eine solche Erklärung abzugeben. Er hat nach den allgemeinen Grundsätzen der Betreuertätigkeit zu handeln, also nach den Wünschen des Betreuten gem. § 1821 Abs. 2 BGB n.F. mit den Ausnahmen des § 1821 Abs. 3 BGB n.F. (siehe § 12 Rdn 5). Der Betreuer kann sich auch auf eine Vertretungsanzeige beschränken, wodurch eine parallele Vertretung entsteht.
Rz. 11
Der Betreute kann im Rahmen seiner Geschäftsfähigkeit und beim Fehlen eines Einwilligungsvorbehaltes weiter materiellrechtliche Erklärungen abgeben. Zudem erhält er nach § 170a Abs. 2 ZPO n.F. vom Betreuer Abschriften von an diesen zugestellten Dokumenten.
Rz. 12
Nicht ganz klar ist die Frage der Auswirkung einer Ausschließlichkeitserklärung auf das Verhältnis zum Rechtsanwalt. Der Vertrag besteht bis zu einer Kündigung weiter, die eigene Vertretungsbefugnis des Betreuten im Verhältnis zu dem Rechtsanwalt entfällt wohl nicht grundsätzlich, wahrscheinlich aber hinsichtlich prozessualer Handlungen, denn diese wären unwirksam. Theoretisch denkbar wäre zwar, dass der Betreute den Rechtsanwalt im Rahmen eines wirksamen Vertrages anweist, eine Erklärung abzugeben, zu der er nicht berechtigt ist. Praktisch wird der Rechtsanwalt sich dann wohl an den Betreuer wenden, wenn dieser seine Vertretung ihm gegenüber auch angezeigt hat, und von diesem dann eine gegenläufige oder ersetzende Erklärung erhalten. Mit einem Einwilligungsvorbehalt (siehe § 4) wäre besser Klarheit geschaffen.