Rz. 16
Zivilrechtlich tritt Konfusion ein, wenn Gläubiger und Schuldner einer Forderung in einer Person zusammentreffen. Als rechtsvernichtende Einwendung führt sie zum Erlöschen des Anspruchs. Erbschaftsteuerlich wird hingegen fingiert, dass es bei Konfusion nicht zum Erlöschen des Anspruchs und der entsprechenden Verbindlichkeit kommt, § 10 Abs. 3 ErbStG. Hatte etwa der Alleinerbe dem Erblasser ein Darlehen gewährt, wird der entsprechende Tilgungsanspruch in der erbschaftsteuerlichen Bilanz aktiviert und die Verbindlichkeit passiviert, was im Regelfall zu einer steuerlichen Neutralität führt.
Rz. 17
Besondere Praxisrelevanz kommt der Regelung des § 10 Abs. 3 ErbStG im Pflichtteilsrecht bei gemeinschaftlichen Testamenten zu:
Rz. 18
Im ersten Erbfall hat ein gemeinschaftliches Kind einen Pflichtteilsanspruch gegen den überlebenden Ehegatten. Dieser Anspruch (sofern geltend gemacht) stellt einen steuerpflichtigen Erwerb vom Erstverstorbenen dar, der wiederum beim überlebenden Ehegatten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG erwerbsmindernd in Abzug gebracht werden kann. Sieht das Kind (z.B. wegen einer Pflichtteilstrafklausel) von der Geltendmachung ab und beerbt den Längerlebenden nach dessen Verstreben alleine (als Schlusserbe), steht dem Kind der Pflichtteilsanspruch (gegen sich selber) zu. Zivilrechtlich kommt es wegen Konfusion zum Erlöschen des Anspruchs. Erbschaftsteuerlich kann das Kind den Anspruch gegen sich selber (als Rechtsnachfolger des längerlebenden Ehegatten) geltend machen und so von seinem eigenen steuerpflichtigen Erwerb als Nachlassverbindlichkeit erwerbsmindernd abziehen.
Rz. 19
Der Schlusserbe kann diesen Effekt allerdings nach BFH nicht (mehr) erzielen, wenn der Pflichtteilsanspruch nach dem Erstverstorbenen zum Zeitpunkt der Geltendmachung nach dem Schlusserbfall bereits verjährt ist, da die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG nicht so weit reiche: Anderenfalls würde die Funktion der Verjährung, Rechtsfrieden herbeizuführen, insoweit aufgehoben, da der Erbe zeitlich unbefristet jederzeit seinen zivilrechtlich erloschenen Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit mit Rückwirkung gegen sich selbst geltend machen kann.