1. Allgemeines
Rz. 112
Als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind Erbfallschulden i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG, mithin Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen bzw. Vorausvermächtnissen, Auflagen, geltend gemachten Pflichtteilsansprüchen und Erbersatzansprüchen.
2. Abzugsfähigkeit von Vermächtnisansprüchen
Rz. 113
Die als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähige Vermächtnislast ist mit dem gemeinen Wert des Vermächtnisgegenstandes i.S.d. § 9 BewG (siehe § 8 Rdn 11 ff.>) beim Erben abzugsfähig. Gleiches gilt für die Abfindung, die ein Erbe für die Ausschlagung eines Vermächtnisses geleistet hat. Ist Vermächtnisgegenstand ein steuerbegünstigter Gegenstand, etwa ein Familienheim i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4b oder 4c ErbStG (siehe § 6 Rdn 1 ff.>) oder eine zu Wohnzwecken vermietete Immobilie i.S.d. § 13d ErbStG (siehe § 6 Rdn 58 ff.>), kommt die Steuerbegünstigung dem Vermächtnisnehmer zugute. Der Wertansatz beim Erben bleibt hingegen unberührt. Die Höhe der abzugsfähigen Vermächtnislast beim Erben wird mithin nicht durch eine privilegierte Behandlung beim Vermächtnisnehmer (zu Lasten des Erben) beeinflusst.
Rz. 114
Auch ein Untervermächtnis kann der Vermächtnisnehmer als Vermächtnisschuldner von seinem Erwerb erwerbsmindernd gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abziehen.
Rz. 115
Auch vom Erblasser "mündlich angeordnete" und tatsächlich ausgekehrte Vermächtnisse können trotz zivilrechtlicher Unwirksamkeit zum Abzug zugelassen werden (siehe § 4 Rdn 38 ff.>).
Rz. 116
Liegt ein aufschiebend bedingtes Vermächtnis – etwa ein Nachvermächtnis i.S.d. § 2191 BGB – vor, ist der Abzug als Nachlassverbindlichkeit beim Erben zunächst nicht möglich, § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 BewG. Tritt das bedingungsauslösende Ereignis ein, entsteht die Erbschaftsteuer beim Vermächtnisnehmer, § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG zu diesem Zeitpunkt. Beim beschwerten Erben ist die Verbindlichkeit aus dem Vermächtnis erst ab diesem Zeitpunkt abzugsfähig, § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG. Liegt bereits ein Steuerbescheid vor, ist dieser nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu korrigieren. Für die Bewertung der Vermächtnislast ist der Zeitpunkt des Erbfalls ausschlaggebend, beim Vermächtnisnehmer hingegen der Zeitpunkt der Entstehung des Vermächtnisses (Bedingungseintritt).
3. Abzugsfähigkeit von Vorausvermächtnissen
Rz. 117
Ist einem Miterben ein Nachlassgegenstand bei entsprechendem Begünstigungswillen des Erblassers zugedacht (siehe § 4 Rdn 33 ff.>), liegt ein Vorausvermächtnis i.S.d. § 2150 BGB vor. Zur Berechnung der Belastung i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG wird der Vermächtnisanspruch zunächst vom gesamten Nachlasswert abgezogen und dann dem Vorausvermächtnisnehmer zu seinem Erwerb zugerechnet. Der Nachlass im Übrigen wird nach Erbquote verteilt und besteuert.
4. Erfüllung von Vermächtnisansprüchen als Abzugsvoraussetzung
Rz. 118
Die Erfüllung eines (wirksamen) Vermächtnisses ist für dessen erbschaftsteuerliche Behandlung grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch für Vereinbarungen zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer zur Auskehrung durch eine Leistung an Erfüllungs statt i.S.v. § 364 Abs. 1 BGB. Die Hingabe eines Gegenstandes zur (teilweisen) Erfüllung des Vermächtnisanspruchs i.S.v. § 364 Abs. 1 BGB stellt ertragsteuerlich einen Anschaffungs- bzw. Veräußerungsvorgang dar. Es kann mithin bei Übertragung eines Grundstücks als privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 EStG eine Einkommensbesteuerung ausgelöst werden (siehe § 12 Rdn 2 ff.>).
Rz. 119
Eine Unmöglichkeit der Erfüllung eines Vermächtnisses i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB, weil der Vermächtnisgegenstand untergegangenen ist, steht der Möglichkeit des Abzugs beim Erben nicht entgegen. Der Erbe ist jedenfalls wirtschaftlich gleichermaßen durch das Vermächtnis beschwert. Bei einem wegen anfänglicher Unmöglichkeit unwirksamen Vermächtnis i.S.d. § 2171 BGB kommt ein Abzug i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG nicht in Betracht. Wird allerdings ein zivilrechtlich unwirksames Vermächtnis – weil z.B. nur "mündlich" angeordnet – durchgeführt (siehe § 4 Rdn 38 ff.>), ist dessen erbschaftsteuerliche Anerkennung – mithin eine Abzugsfähigkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG – zu bejahen.
5. Abzugsfähigkeit von Auflagen
Rz. 120
Vom Erblasser wirksam in letztwilligen Verfügungen angeordnete Auflagen (§ 1940 BGB) sind als Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG – wie Vermächtnisse auch – abzugsfähig. In Betracht kommen z.B. Anordnungen zu Art und Umfang der Grabpflege. Bei entsprechender Anordnung sind die tatsächlichen Kosten für die Grabpflege beim Erben abzugsfähig und nicht auf das übliche Maß im Rahmen des Abzugs sonstiger Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG (siehe Rdn 135>) gedeckelt. Werden solche (unüblich) hohen Kosten erwerbsmindernd durch den Erben geltend gemacht, kann der Pauschbetrag i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 ErbStG (siehe Rdn 145 ff.>) nicht in Anspruch genommen werden.
6. Abzugsfähigkeit von Pflichtteilsansprüchen
Rz. 121
Korrespondierend mit der Steuerpflicht (nur) für geltend gemachte Pflichtt...