I. Änderung des Regelungssystems

1. Differenzierung zwischen Pflichten gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft und gegenüber den Miteigentümern

 

Rz. 2

Tiefgreifende Änderungen hat der Gesetzgeber bei der Normierung der Pflichten hinsichtlich der Nutzung von Sondereigentum vorgenommen. Er unterscheidet zunächst zwischen Pflichten der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 14 Abs. 1 WEG) und den Wohnungseigentümern (§ 14 Abs. 2 WEG) gegenüber.[2] Dies geht mit einem gravierenden Wechsel bei der Durchsetzung dieser Pflichten einher: Pflichten der Gemeinschaft gegenüber kann nur diese selbst durchsetzen. Einem einzelnen Wohnungseigentümer verbleibt in den Fällen, da sich die Eigentümerversammlung nicht auf Maßnahmen zur Durchsetzung solcher Pflichten verständigen kann, nur die Beschlussersetzung.

[2] BT-Drucks 19/18791, S. 50.

2. Prozessuale Folgen

 

Rz. 3

Mit dieser Regelung knüpft der Gesetzgeber an die bisherige Differenzierung zwischen materieller Berechtigung und (prozessualer) Ausübungsbefugnis an. Materiell-rechtlich sind zwar die Wohnungseigentümer als Beeinträchtigte Inhaber der Ansprüche aus § 1004 BGB;[3] ausübungsbefugt ist aber bei der Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums alleine die Wohnungseigentümergemeinschaft.[4] Lediglich die Einhaltung der in § 14 Abs. 2 WEG genannten Pflichten den Wohnungseigentümern gegenüber kann der einzelne Wohnungseigentümer im Verfahren nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG alleine durchsetzen.[5] Dabei muss er freilich die Beeinträchtigung seines Sondereigentums vortragen; zur Durchsetzung der Unterlassung oder Beseitigung von Störungen des Gemeinschaftseigentums ist er im Gegensatz zum früheren Recht nicht mehr prozessführungsbefugt.

[3] S. zuletzt BGH, Urt. v. 13.10.2017 – V ZR 45/17, WuM 2018, 56 = ZMR 2018, 231; vgl. zu diesem nunmehr historischen Konzept BT-Drucks 19/18791, S. 44.
[4] BT-Drucks 19/18791, S. 44.
[5] BT-Drucks 19/18791, S. 51.

3. Keine Vergemeinschaftung individueller Abwehrrechte

 

Rz. 4

Umgekehrt kommt eine Übertragung der Ausübungsbefugnis individueller Abwehr- und Beseitigungsansprüche auf die Wohnungseigentümergemeinschaft anders als nach früherem Recht nicht mehr in Betracht. Denn bei Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums ist die Wohnungseigentümergemeinschaft schon kraft Gesetzes ausübungsbefugt, so dass es keiner Vergemeinschaftung mehr bedarf. Die noch bestehenden individuellen Abwehr- und Beseitigungsansprüche der Wohnungseigentümer sind aber nicht gemeinschaftsbezogen, sondern entspringen dem Sondereigentum. Diese kann die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht an sich ziehen; ein entsprechender Beschluss wäre nichtig.[6]

II. Einhaltung von gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüssen (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG)

1. Umfang der Pflicht

 

Rz. 5

Die neue Regelung ist weitgehend überflüssig und bringt wenig Gewinn an Rechtsklarheit. Dass Wohnungseigentümer gesetzliche Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse, soweit wirksam, einhalten müssen ist selbstverständlich. Neu ist abgesehen von der alleinigen Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft lediglich die Aufgabe der Differenzierung zwischen Verwaltung und Gebrauch,[7] die zwar schon nach altem Recht entbehrlich, aber in der Praxis unproblematisch war.

[7] BT-Drucks 19/18791, S. 50.

2. Alleinige Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft

 

Rz. 6

Von erheblicher Bedeutung ist dagegen, dass die Einhaltung von gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüssen in § 14 Abs. 1 WEG in verortet wurde. Die Durchsetzung dieser Pflicht ist somit ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft zugewiesen. Dies betrifft sämtliche Regelungen in der Gemeinschaftsordnung, insbesondere die in der Praxis so wichtigen Zweckbestimmungen mit Vereinbarungscharakter. Eröffnet etwa ein Sondereigentümer in einem Laden eine Gaststätte, kann nicht mehr, wie bisher, jeder einzelne Miteigentümer auf Unterlassung klagen. Diese Befugnis steht ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft zu.[8] Bildet diese in der Eigentümerversammlung keinen entsprechenden Willen, kann der betroffene Wohnungseigentümer nur im Wege der Beschlussersetzung ein Vorgehen der Gemeinschaft erzwingen.

[8] BT-Drucks 19/18791, S. 50.

3. Alternativen zur Beschlussersetzung

 

Rz. 7

Vor diesem Hintergrund gewinnen die Alternativen zum erzwungenen Vorgehen der Wohnungseigentümergemeinschaft für den beeinträchtigen Wohnungseigentümer erheblich an Bedeutung: Zum einen muss er immer prüfen, ob nicht mit der Nichteinhaltung von Vereinbarungen und Beschlüssen auch eine Beeinträchtigung seines Sondereigentums nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG einhergeht. Diese kann er nämlich nach wie vor alleine geltend machen. Zum anderen hat der BGH schon nach altem Recht eine "Rückermächtigung" des einzelnen Wohnungseigentümers bei ausschließlicher Ausübungsbefugnis des Verbandes für zulässig gehalten.[9] Diese sollte der betroffene Wohnungseigentümer stets hilfsweise beantragen. Denn dann, wenn die Miteigentümer vorrangig das Prozessrisiko scheuen, werden sie häufig nichts gegen die Beseitigung der Störung auf eigene Kosten eines Miteigentümers einzuwenden haben.

III. Pflicht zur Duldung des Betretens und anderer Einwirkungen (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG)

1. Zweck der Regelung

 

Rz. 8

Die Vorschrift führt § 14 Nr. 4 WEG a.F. fort, wonach der Wohnungseigentümer die Inanspruchnahme seines Sondereigentums hinnehmen muss. Sie ist nunmehr dem Wortlaut nach weiter gefasst. Zum einen ...

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