I. Unterlassung von Beeinträchtigungen (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG)
1. Fortführung von § 14 Nr. 1 WEG a.F.
Rz. 18
§ 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG führt inhaltlich die Verpflichtungen aus § 14 Nr. 1 WEG a.F. fort, aber unter Umkehr der Perspektive: Während § 14 Nr. 1 WEG a.F. positive Verpflichtungen zur Instandhaltung und zum schonenden Gebrauch von Sondereigentum- und Gemeinschaftseigentum normierte, arbeitet § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG mit Unterlassungspflichten. Demnach ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber seinen Miteigentümern verpflichtet, deren Sondereigentum nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus zu beeinträchtigen. Dies umfasst, ins Negative gewendet, sowohl die Pflicht zum schonenden Gebrauch wie auch zur Erhaltung des eigenen Sondereigentums gemäß § 14 Nr. 1 WEG a.F. Denn bei einem Verstoß gegen diese Pflichten nach altem Recht kommt es zu einer Beeinträchtigung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG. In diesem Umfang kann auf die Rechtsprechung zu § 14 Nr. 1 WEG a.F. zurückgegriffen werden.
2. Erweiterungen des Pflichtenkreises
a) Beeinträchtigung, die vom Gemeinschaftsvermögen ausgehen
Rz. 19
Mit der neuen Fassung des § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG hat der Gesetzgeber den Pflichtenkreis der Wohnungseigentümer indessen (möglicherweise unvermerkt) verändert. Eine Erweiterung erfolgte insoweit, als die Verpflichtung zur Unterlassung von Beeinträchtigungen nunmehr unbeschränkt besteht, nicht mehr auf den Gebrauch von Sonder- und Gemeinschaftseigentum bezogen. Dies kann bedeutsam werden, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst ein Grundstück etwa zur Schaffung von Parkraum erwirbt und den Wohnungseigentümern zur Verfügung stellt. Hier griff das Gebot der schonenden Nutzung aus § 14 Nr. 1 WEG a.F. jedenfalls nicht direkt ein, da das Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft weder Sonder- noch Gemeinschaftseigentum darstellt, das der Nutzung nach dieser Vorschrift unterfällt. Nach der neuen Gesetzesfassung steht fest, dass der Wohnungseigentümer jegliche gemeinschaftsbezogenen Beeinträchtigungen zu unterlassen hat. Dabei ist gleichgültig, ob sie vom Sondereigentum, vom gemeinschaftlichen Eigentum oder auch vom Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgehen.
b) Beeinträchtigungen, die weder von Sonder- bzw. Gemeinschaftseigentum noch vom Gemeinschaftsvermögen ausgehen
Rz. 20
Dem Wortlaut der Vorschrift nach erfasst das Störungsverbot des § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG sogar Beeinträchtigungen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, das einem Wohnungseigentümer gehört. Insoweit dürfte die Vorschrift aber teleologisch zu reduzieren sein. Wie der Gesetzgeber etwa im Zusammenhang mit der Streichung der Rechte Dritter aus § 13 Abs. 1 WEG klargestellt hat, soll das WEG nur die Beziehungen der Wohnungseigentümer zu ihrer Gemeinschaft und den Miteigentümern regeln. § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG kann dem Wohnungseigentümer daher nur Pflichten auferlegen, die ihm in dieser Eigenschaft zukommen, aber nicht nachbarliche Rechte von Wohnungseigentümergemeinschaften erweitern.
3. Störungen die nicht das Sondereigentum betreffen
a) Gemeinschaftseigentum
Rz. 21
Der Perspektivwechsel des Gesetzes, das nun nicht mehr auf den Ausgangspunkt, sondern auf das Ziel der Störung abstellt, schafft umgekehrt auch Lücken im Rechtsschutz. Denn § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG erfasst nur Einwirkungen auf das Sondereigentum. Damit sind jedenfalls störende Einwirkungen auf solches Eigentum, an dem keine Sondernutzungsrechte bestehen (hierzu s. gleich u. Rdn 23), nicht mehr erfasst. Etwa eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Parkplatzes durch Parken in der Zufahrt können weder die Wohnungseigentümergemeinschaft noch einzelne Wohnungseigentümer alleine auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG gestützt abwehren.
Rz. 22
Praxistipp:
Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann Störungen des Gemeinschaftseigentums jetzt aber über § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG i.V.m. § 19 Abs. 1 WEG abwehren. Voraussetzung ist allerdings eine Beschlussfassung gemäß § 19 Abs. 1 WEG über die Nutzung des Gemeinschaftseigentums. Eine solche Regelung kann jeder einzelne Wohnungseigentümer aus § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG verlangen. Wird sie nicht beschlossen, muss er also im Verfahren nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG die Ersetzung des Beschlusses gerichtlich erstreiten.
b) Sondernutzungsrechte
Rz. 23
Problematisch erscheint die Beschränkung des § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG auf Sondereigentum im Hinblick auf Sondernutzungsrechte, da sie rechtlich ebenfalls Gemeinschaftseigentum darstellen. Dem Wortlaut nach sind sie daher ebenfalls nicht vom Störungsverbot des § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG erfasst. Dies erscheint im Hinblick auf ihre rechtliche Nähe zum Sondereigentum unbefriedigend. Immerhin zieht die Rechtsprechung deswegen sogar die Umdeutung der fehlgeschlagenen Begründung von Sondereigentum in Sondernutzungsrechte in Betracht. Aufgrund dieser Rechtsähnlichkeit erscheint eine analoge Anwendung von § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG auf Sondernutzungsrechte naheliegend.
c) Gemeinschaftsvermögen
Rz. 24
Trotz der nunmehr in §§ 9a Abs. 3; 16 Abs. 1 S. 1 WEG erfolgten Verankerung des Gemeinschaftsvermögens hat dies in sonstigen Zusammenhängen praktisch keine Beachtung gefunden. Das führt zu willkürlich anmutenden Ungleichbehandlungen. Erwirbt die Wohnungseigentümergemeinschaft innerhalb ihrer eigenen Liegenschaft Sondereigentum etwa...