I. Duldungspflicht aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG
1. Regelungstechnik
Rz. 28
§ 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG regelt die Duldungspflichten gegenüber den Miteigentümern durch einen Verweis auf § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG. Dies erscheint systematisch von vorneherein unglücklich, da in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG naturgemäß nur Maßnahmen der Gemeinschaft beschreibt, die der einzelne Wohnungseigentümer nicht ergreifen kann. Dann wäre die Vorschrift auch überflüssig, da die Duldung der Maßnahmen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG schon dort normiert ist. Trotz des Wortlautes von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG, auf den § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG Bezug nimmt, besteht keine auch nur teilweise Identität mit den nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG zu duldenden Maßnahmen. Denn § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG regelt alleine Duldungspflichten gegenüber der Gemeinschaft, § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG dagegen nur solche gegenüber den Miteigentümern. Daher ist der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG im Zusammenhang mit § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG eigenständig auszulegen.
2. Betreten des Sondereigentums
a) Missverständlichkeit des Wortlautes
Rz. 29
Wie unglücklich der Verweis in § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG geraten ist, zeigt sich schon beim ersten Tatbestandsmerkmal der Duldung nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG, dem Betreten des Sondereigentums. Würde man den Wortlaut ernst nehmen, hätte jeder Wohnungseigentümer das Betreten seines Sondereigentums durch Miteigentümer zu dulden, wenn dies nur mit unerheblichen Beeinträchtigungen einhergeht. Dies ist natürlich abwegig und mit dem Schutz der Wohnung nach Art. 13 GG nicht zu vereinbaren. Kein Wohnungseigentümer kann von einem anderen ohne zwingenden Grund verlangen, dass dieser das Betreten seiner Wohnung duldet. Auch die nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG möglichen Beschlüsse, die Miteigentümern das Betreten fremden Sondereigentums erlauben könnten, sind kaum vorstellbar, da als Eingriff in den Kernbereich des Sondereigentums nichtig.
b) Sinn der Vorschrift
Rz. 30
Bedeutung kann die Duldung des Betretens allenfalls im Zusammenhang mit der Instandhaltung oder Instandsetzung von Sondereigentum erlangen, die u.U. die Benutzung fremden Sondereigentums rechtfertigen kann. Dies wurde angenommen, wenn der zulässige Ausbau des Dachgeschosses nur unter Inanspruchnahme fremden Sondereigentums unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen möglich ist. Nach früherer Rechtsprechung zu § 14 Nr. 4 WEG a.F. war darüber hinaus einem gerichtlichen Sachverständigen das Betreten des Sondereigentums stets zu gestatten, auch wenn der betroffene Eigentümer nicht Partei des zugrunde liegenden Rechtsstreits ist. Auch ohne ausdrückliche Regelung durch Vereinbarung oder Beschluss kann ausnahmsweise eine Pflicht zur Duldung des Betretens aufgrund der Beschaffenheit bestimmter Räume bestehen, wenn sich etwa in einer Wohnung der Zugang zum Dachboden befindet, der im gemeinschaftlichen Eigentum steht. Dann ist der Spitzboden auch zu Zwecken der Dachreparatur und Wartung zu nutzen, was der betroffene Wohnungseigentümer (gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft) seinerseits nach § 14 Nr. 4 WEG a.F. und nunmehr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG dulden muss. Diese Einzelfälle rechtfertigen indessen kaum eine – scheinbar – generelle Pflicht zur Duldung des Betretens von Sondereigentum, sondern hätten sich, wie bisher, durch eine Analogie zum Betretungsrecht der Gemeinschaft lösen lassen.
3. Andere Einwirkungen auf das Sondereigentum
a) Bedeutung der Einwirkung auf das Sondereigentum
Rz. 31
Die Duldung von "Einwirkungen" stellt die zentrale Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG dar. Diese Bestimmung ersetzt letztlich § 14 Nr. 3 WEG a.F., wonach der Wohnungseigentümer Einwirkungen auch auf sein Sondereigentum zu dulden hatte, soweit sie auf einem zulässigen Gebrauch beruhen. Der Begriff der "Einwirkungen" ist dabei wie in § 14 Nr. 3 WEG a.F. weit zu verstehen. Er reicht vom unmittelbaren Gebrauch fremden Sondereigentums, etwa beim Schwenken der Wagentür über einen fremden Stellplatz bis hin zu jeglicher Form von Immissionen wie Küchengerüchen, Wohngeräuschen etc.
b) Schrankenlose Einwirkung bei entsprechender Legitimation durch Vereinbarungen oder Beschlüsse
Rz. 32
Im Gegensatz zu § 14 Nr. 3 WEG a.F. differenziert § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG die zulässige Intensität der Einwirkung danach, ob sie durch Vereinbarung oder Beschluss zugelassen wird. Ist dies der Fall, besteht keine Schranke. Dies spielt insbesondere bei Zweckbestimmungen mit Vereinbarungscharakter eine Rolle. Gestattet die Gemeinschaftsordnung eine bestimmte Nutzung, so muss der Miteigentümer auch erhebliche Einwirkungen dulden, die hieraus resultieren. Umgekehrt kann die Gemeinschaftsordnung auch bestimmte Nutzungen und in der Folge die damit einhergehenden Einwirkungen ausschließen, selbst wenn sie kraft Gesetzes zulässig wären. Bei der Regelung dieser Fragen durch Beschluss sind freilich die Grenzen der Beschlusskompetenz zu beachten. Selbst eine Öffnungsklausel stellt nicht zugleich materiell-rechtlich die Zustimmung zu jeder künftigen Änderung der Gemeinschaftsordnung dar. Fundamentale Schranken ergeben sich aus unverzich...