1. Nicht oder unerheblich beeinträchtigende Maßnahmen (§ 13 Abs. 2 WEG)
Rz. 61
Das neue Recht geht über das frühere hinaus, als es die Berechtigung des Wohnungseigentümers zur Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen zumindest mittelbar regelt. Denn nach § 13 Abs. 2 WEG bedarf der Wohnungseigentümer selbst bei Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums hinausgehen, nicht der Gestattung durch Beschluss, wenn sie keinen Miteigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen. Wenn bei solchermaßen geringen Belastungen selbst Modernisierungen oder Veränderungen zulässig sind, gilt dies erst recht für Erhaltungsmaßnahmen. Können sie ohne Nachteil im Sinne des § 13 Abs. 2 WEG ausgeführt werden, kann sie der Wohnungseigentümer ohne weiteres, insbesondere ohne genehmigenden Beschluss in Angriff nehmen. Dies ist allerdings nur eine vom Gesetz zusätzlich eröffnete Möglichkeit. Der sanierungswillige Wohnungseigentümer ist allerdings zu einem solchen Vorgehen ohne Befragung der Miteigentümer nicht verpflichtet. § 13 Abs. 2 WEG redet nur davon, dass es keiner Gestattung bedarf, schließt es aber nicht aus, dass sie gleichwohl eingeholt wird. Er kann die von ihm geplanten Maßnahmen auch durch Beschluss gemäß § 19 Abs. 1 WEG genehmigen lassen.
2. Mehr als nur unerheblich beeinträchtigende Maßnahmen
a) Systemwechsel im neuen Recht
Rz. 62
Einen (wohl unvermerkten) Systemwechsel führte der Gesetzgeber bei Erhaltungsmaßnahmen durch, die mehr als nur unerheblich beeinträchtigen. Nach früherem Recht waren Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung stets zulässig, sofern sie erforderlich waren. Selbst die Inanspruchnahme fremden Sondereigentums war in analoger Anwendung von § 14 Nr. 4 WEG a.F. zulässig, wenn dies zur Instandhaltung oder Instandsetzung erforderlich war. Nunmehr besteht eine Duldungspflicht des Miteigentümers kraft Gesetzes nur noch dann, wenn ihm durch die Einwirkungen aufgrund der Erhaltungsmaßnahme kein erheblicher Nachteil gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG erwächst. Weiter gehende Duldungspflichten enthält das Gesetz in § 15 Nr. 1 WEG nur noch für Mieter und sonstige Nutzer der jeweils betroffenen Einheit, nicht aber für Miteigentümer. Geht die Beeinträchtigung darüber hinaus, muss der beeinträchtigte Miteigentümer auch eine erforderliche Erhaltungsmaßnahme nicht dulden.
b) Abgrenzung zwischen unerheblicher und erheblicher Beeinträchtigung
Rz. 63
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Abgrenzung zwischen erheblichen und unerheblichen Beeinträchtigungen bei Erhaltungsmaßnahmen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG zentrale Bedeutung. Aus dem alten Recht lässt sich hierzu praktisch nichts übernehmen, da diese Abgrenzung bei Erhaltungsmaßnahmen keine Rolle spielte. Die Gesetzesmaterialien bieten hier ebenfalls keinen weiteren Aufschluss, da sie das Problem nicht erkennen. Übernimmt man die Maßstäbe des § 14 Nr. 1 WEG a.F. zu Beeinträchtigungen durch bauliche Veränderungen, dürfte bei Erhaltungsmaßnahmen allerdings ein großzügiger Maßstab anzulegen sein. Denn selbst bei baulichen Veränderungen waren als Nachteil i.S.v. § 14 Nr. 1 WEG a.F. nur solche Veränderungen anzusehen, die nach durchgeführtem Umbau aus der baulichen Veränderung resultieren. Die mit den Bauarbeiten einhergehenden Beeinträchtigungen gehörten folglich in der Regel nicht dazu, sofern sie nicht infolge ihrer Dauer und Intensität (etwa bei lange Zeit aufgestellten Gerüsten und Baumaschinen) selbst auf eine bauliche Veränderung hinauslaufen.
c) Rechtssicherheit durch Beschlussfassung bzw. Beschlussersetzung
Rz. 64
Da die Auslegung des erheblichen Nachteils im neuen Recht nicht sicher vorhergesehen werden kann, ist dem sanierungswilligen Wohnungseigentümer in jedem Fall ein gefahrloserer Weg zu raten, den das neue Recht ebenfalls vorgibt. Denn die Durchführung einer erforderlichen Erhaltungsmaßnahme ist von der Beschlusskompetenz des § 19 Abs. 1 WEG zur Benutzung des Sondereigentums gedeckt und entspricht regelmäßig ordnungsmäßiger Verwaltung. Der sanierungswillige Wohnungseigentümer kann somit eine Sanierungsmaßnahme, die möglicherweise über § 13 Abs. 2 WEG hinausgehende Beeinträchtigungen mit sich bringt, durch Beschluss der Eigentümerversammlung genehmigen lassen bzw. diesen Beschluss dann, wenn sich die Eigentümerversammlung hierauf nicht verständigen kann, im Verfahren nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG ersetzen lassen. Denn er hat aus § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG Anspruch auf eine ordnungsmäßige Benutzung seines Sondereigentums, wozu auch die Durchführung erforderlicher Erhaltungsmaßnahmen gehört. Dies folgt im Umkehrschluss auch aus §§ 13 Abs. 2, 20 Abs. 1 WEG. Wenn selbst darüber hinausgehende Maßnahmen durch Beschluss genehmigt werden können, gilt dies erst recht für Erhaltungsmaßnahmen. Ist eine Erhaltungsmaßnahme solchermaßen durch Beschluss genehmigt, muss auch der beeinträchtigte Wohnungseigentümer ihre Durchführung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 2 WEG dulden. Allerdings kann ihm dafür ein Ausgleich nach § 14 Abs. 3 WEG zustehen.