Rz. 308

Die Vorschrift des § 1629a BGB stellt die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die gesetzliche Vertretung minderjähriger Kinder durch ihre Eltern wieder her.

 

Rz. 309

Das Vertretungsrecht der Eltern bei Rechtsgeschäften für minderjährige Kinder ist geregelt in § 1629 i.V.m. 1643 Abs. 1 BGB. Zu beachten ist die in diesem Zusammenhang bestehende Haftungsbeschränkung für die Zeit ab Volljährigkeit des Kindes. So haftet ein Minderjähriger grundsätzlich nur mit dem Eigenvermögen, das er zum Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit hatte, § 1629a Abs. 1 BGB. Die Interessen von Gläubigern und des Rechtsverkehrs werden demgegenüber durch Vermutungstatbestände gewahrt (§ 1629a Abs. 4 BGB) und durch die Einführung eines außerordentlichen Kündigungsrechts des Kindes, mit dem es seine Mitgliedschaft in einer Gesamthandsgemeinschaft (bspw. einer Erbengemeinschaft) bzw. Personengesellschaft beenden kann.

a) Haftungsbeschränkung – § 1629a Abs. 1 BGB

 

Rz. 310

Nach § 1629a Abs. 1 BGB hat das volljährig gewordene Kind die Möglichkeit, die Haftung für Verbindlichkeiten, die seine Eltern ihm gegenüber bei Ausübung der gesetzlichen Vertretung begründet haben, und für Verbindlichkeiten, die durch einen in der Zeit der Minderjährigkeit eingetretenen Erwerb von Todes wegen begründet wurden, auf den Bestand desjenigen Vermögens zu beschränken, das im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit vorhanden ist.

 

Rz. 311

Die Haftungsbeschränkung erfolgt in entsprechender Anwendung der §§ 1990, 1991 BGB (wohl als Rechtsfolgenverweisung) auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen.[330] Das MinderjährigenhaftungsbeschrG erfasst grundsätzlich alle Verbindlichkeiten des Minderjährigen. § 1629a Abs. 1 S. 1 BGB unterscheidet nicht danach, ob der Minderjährige die Mitgliedschaft in der Gesellschaft von Todes wegen erworben hat, die Eltern den Gesellschaftsvertrag selbst im Namen des Kindes abgeschlossen haben oder das Kind selbst mit Zustimmung der Eltern den Beitritt zu einer Gesellschaft erklärt hat.

[330] § 1629a Abs. 1 BGB; zur Methodik der Haftungsbeschränkung vgl. Behnke, NJW 1998, 3078, 3079.

b) Sonderkündigungsrecht des volljährig Gewordenen

 

Rz. 312

Die Idee des "Neustarts bei Null":

Ist der Minderjährige Mitglied einer Erbengemeinschaft, Inhaber eines Handelsgeschäfts oder unbeschränkt haftender Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft, OHG oder KG, so wird die Anordnung der Haftungsbeschränkung nach § 1629a Abs. 1 BGB um das in § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 BGB ausdrücklich niedergelegte Recht ergänzt, die Position im Geschäftsleben mit Eintritt der Volljährigkeit endgültig aufzugeben, um auf diese Weise eine vollständige Haftungsentledigung zu erreichen. In § 723 BGB ist die Vollendung des 18. Lebensjahres als wichtiger Grund zur Kündigung der BGB-Gesellschaft festgelegt worden, wobei diese Kündigung innerhalb von drei Monaten erklärt werden muss, § 723 Abs. 1 S. 4 BGB. Über die Verweisungsnormen §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB gilt dies auch für OHG und KG. Zumindest ist ein wichtiger Grund i.S.v. § 133 HGB anzunehmen.

c) Doppelte Vermutung in § 1629a Abs. 4 BGB

 

Rz. 313

Das Sonderkündigungsrecht steht im Zusammenhang mit der Beweislastverteilung, die in § 1629a Abs. 4 S. 1 BGB aufgenommen wurde.

Diese Vorschrift enthält zwei widerlegliche Vermutungen zugunsten der Gläubiger:

(1) Verlangt der volljährig Gewordene nicht die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach § 2042 Abs. 1 BGB, kündigt er eine Beteiligung an einer Personengesellschaft nach § 723 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht innerhalb von drei Monaten nach Erreichen der Volljährigkeit oder stellt er ein Handelsgewerbe nicht innerhalb dieses Zeitraums ein, so wird vermutet, dass die Verbindlichkeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres begründet wurde (S. 1) und damit nicht der Haftungsbeschränkung des Abs. 1 unterliegt. Der Eintritt der Volljährigkeit wird als wichtiger Grund i.S.v. §§ 749 Abs. 2 S. 1, 2042 Abs. 2 BGB angesehen.[331]

Diese Vermutung führt zum Verlust der Haftungsbeschränkung.

 

Rz. 314

(2) Weiter wird unter den in (1) genannten Voraussetzungen vermutet, dass das gegenwärtige Vermögen bei Erreichen der Volljährigkeit vorhanden war (S. 2).

Diese Vermutung kommt erst zum Tragen, wenn die erste Vermutung widerlegt ist. Selbst wenn bewiesen werden kann, dass eine konkrete Verbindlichkeit bereits vor Eintritt der Volljährigkeit entstanden ist, so wird vermutet, dass das jetzt vorhandene Vermögen bereits vor Volljährigkeit erworben wurde, und damit das ganze Vermögen des volljährig Gewordenen die Haftungsmasse darstellt.

[331] BT-Drucks 13/5624, S. 10 – im Internet abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/056/1305624.pdf.

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