Rz. 550

Grund für die in §§ 2050 ff. BGB geregelten Ausgleichungspflichten ist – ausgehend vom Grundsatz der erbrechtlichen Gleichbehandlung von Kindern in § 1924 Abs. 4 BGB – der vom Gesetz vermutete Wille des Erblassers, seine Abkömmlinge an der Rechtsnachfolge in sein Vermögen (zu Lebzeiten und nach seinem Tod, d.h. an seiner wirtschaftlichen Lebensleistung) gleichmäßig teilhaben zu lassen. Vorempfänge einer bestimmten Art gelten daher grundsätzlich als auf den künftigen Erbteil erfolgt.

Ausgleichung bedeutet nur eine rechnerische Einbeziehung der zu Lebzeiten des Erblassers von diesem erhaltenen Vermögenswerte in die Teilung unter den Abkömmlingen, eine Modalität der Berechnung der endgültigen Anteile am effektiven Nachlass, d.h. am Auseinandersetzungsguthaben, und damit eine Veränderung des Verteilerschlüssels.

a) Kreis der ausgleichungspflichtigen Miterben

 

Rz. 551

Nicht alle in der Erbengemeinschaft zusammen geschlossenen Miterben unterliegen der gesetzlichen Ausgleichungspflicht, sondern nur

Abkömmlinge, und zwar

als gesetzliche Erben, § 2050 BGB,
als testamentarische Erben, wenn die Erbteile den gesetzlichen entsprechen oder doch in solchem Verhältnis zueinander stehen, § 2052 BGB,
eintretende oder durch Erhöhung bzw. Anwachsung begünstigte Abkömmlinge an Stelle ihrer Vormänner. Sie sollen insgesamt die "Stammportion" erhalten, § 2051 Abs. 1 BGB,
Ersatzerben, §§ 2052 Abs. 2, 2096 BGB.
 

Rz. 552

Grundsätzlich sind nur diejenigen Vorempfänge auszugleichen, die der Abkömmling zu Lebzeiten vom Erblasser selbst erhalten hat. Anders aber, wenn die Eltern ein "Berliner Testament" (§ 2269 BGB) oder einen entsprechenden Erbvertrag gem. § 2280 BGB errichtet hatten: Hier ist im Sinne des Ausgleichungsrechts auch der vorverstorbene Elternteil als Erblasser anzusehen. Man spricht vom "erweiterten Erblasserbegriff".[544]

Aber: Dieser erweiterte Erblasserbegriff gilt nur bei der Erbteilung, nicht auch im Pflichtteilsrecht, weil andernfalls die Erblasser in das Pflichtteilsrecht eingreifen könnten.[545]

[544] BGHZ 88, 102 = NJW 1983, 2875.

b) Der Ausgleichungspflicht unterliegende Vorempfänge

aa) Gesetzliche Regelung

 

Rz. 553

Nicht jede Art von lebzeitigen Zuwendungen von Seiten des Erblassers unterliegt der Ausgleichungspflicht, vielmehr sind es nur

Ausstattungen ohne weiteres, Abweichendes müsste ausdrücklich bestimmt sein (§ 2050 Abs. 1 BGB),
Übermaß an Zuschüssen zu den Einkünften zum Zweck der Bestreitung der laufenden Ausgaben (§ 2050 Abs. 2 BGB),
Übermaß an Berufsausbildungskosten (§ 2050 Abs. 2 BGB),
andere Zuwendungen, insbesondere Schenkungen, falls die Ausgleichungspflicht bei der Zuwendung angeordnet wurde (§ 2050 Abs. 3 BGB). Die Anordnung muss für den Empfänger erkennbar sein – damit die Zuwendung zurückgewiesen werden könnte, falls er mit der Anordnung nicht einverstanden ist.
Zahlungen des Vaters an ein nichteheliches Kind vor dem 1.4.1998 auf einen beabsichtigten aber nicht zustande gekommenen vorzeitigen Erbausgleich (Art. 227 Abs. 2 EGBGB).
 

Rz. 554

Nachträgliche Anordnung der Ausgleichungspflicht ist möglich:

erfolgt sie testamentarisch, so liegt darin eine Vermächtnisanordnung zugunsten der anderen Abkömmlinge mit der Folge, dass i.d.R. für diese Vermächtnisanordnung § 2306 BGB zu beachten ist;[546]
erfolgt sie unter Lebenden, so kommt sie einem teilweisen Erbverzicht gleich und bedarf deshalb der notariellen Beurkundung: § 2348 BGB.

Ausschluss der Ausgleichungspflicht:

Soll die Ausgleichung von vornherein ausgeschlossen sein, so genügt eine abweichende Anordnung des Erblassers bei der Zuwendung (§ 2050 Abs. 1 letzter Hs. BGB).

Nachträglicher Ausschluss:

testamentarisch: Er stellt eine Vermächtnisanordnung zugunsten des betreffenden Abkömmlings dar.

unter Lebenden: Aufhebung des Ausstattungsvertrags und Neuabschluss unter Ausschluss der Ausgleichungspflicht.[547]

[546] BGH ZEV 2010, 33; RGZ 90, 419; Bamberger/Roth/Lohmann, BGB, Ed. 18, August 2010, § 2050 Rn 10; J. Mayer, ZEV 1996, 441.
[547] Str. siehe RGZ 90, 419.

bb) Begriff der Ausstattung

 

Rz. 555

Definiert ist die Ausstattung in § 1624 BGB; sie steht aber in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem gesetzlichen Unterhaltsrecht von Kindern. Eltern sind gegenüber ihren Kindern verpflichtet, zu deren Existenzgründung dadurch beizutragen, dass sie ihnen Unterhalt zur Erlangung einer Schul- und Berufsausbildung gewähren (§ 1610 Abs. 2 BGB).[548] Dieser Verpflichtung können sie sich nicht entziehen. Sie ist Inhalt des gesetzlichen Unterhaltsschuldverhältnisses.

Auf freiwilliger Basis können Eltern ihren Kindern aber auch Vermögensgegenstände als zusätzliche Starthilfe übertragen. Zuwendungszweck und damit Vertragsinhalt – als Geschäftsgrundlage – ist gem. § 1624 BGB die Begründung oder Erhaltung der Wirtschafts- und Lebensstellung. Rechtsgrund der Ausstattung ist gerade keine Schenkung, sondern der eigenständige Zuwendungszweck der Existenzhilfe.

Unterschied zur Schenkung: Die besonderen Regeln für die Ausstattung gelten nur insoweit, als die Zuwendung die Vermögensverhältnisse des Zuwendenden nicht überstei...

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