Rz. 228

Derjenige Miterbe, der für die anderen bei der Verwaltung tätig wird, kann für die entstehenden Aufwendungen einen Vorschuss (§ 669 BGB) oder nachträglich Aufwendungsersatz (§ 670 BGB) verlangen.

Dies gilt auch, wenn der Miterbe zunächst ohne den erforderlichen Beschluss gehandelt hat, die Miterben seinen Maßnahmen jedoch später zugestimmt haben – oder in den Fällen der Notgeschäftsführung. Wird die Zustimmung nicht erteilt, so kann der Handelnde nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz verlangen (§§ 683, 684 BGB).[234]

BGH:[235]

Zitat

"(...) Zwar kann bei einem Gesamtschuldverhältnis der vom Gläubiger in Anspruch genommene Gesamtschuldner schon vor der eigenen Leistung verlangen, daß seine Mitschuldner ihren Anteilen entsprechend zur Befriedigung des Gläubigers mitwirken (RGZ 79, 288 [290]; Staudinger 9. Aufl. § 426 All b). Aber diese Beitragspflicht der Mitschuldner begründet nur einen Anspruch auf Zahlung eines entsprechenden Betrages an den Gläubiger, nicht an den in Anspruch genommenen Gesamtschuldner selbst. Zahlung an sich selber kann dieser vielmehr erst verlangen, wenn er seinerseits an den Gläubiger geleistet hat."

 

Rz. 229

 

Beispiel

Der Erblasser wurde zur Winterzeit wenige Tage vor seinem Tod ins Krankenhaus eingeliefert. In seinem bisher von ihm bewohnten Einfamilienhaus kommt es kurz darauf zu einer Stromstörung, in deren Folge die Zentralheizung ausfällt. Da strenger Frost herrscht, platzen Rohrleitungen und Heizkörper. Nach dem Tod des Erblassers bemerkt dies die Tochter T und beauftragt im eigenen Namen eine Heizungsfirma mit den erforderlichen Reparaturarbeiten. Erben des Erblassers sind geworden die Tochter T und die beiden Söhne S1 und S2 zu je einem Drittel. S1 und S2 waren im Zeitpunkt des Schadenseintritts im Winterurlaub im Ausland und für die Tochter T nicht erreichbar.

Von dem Rechnungsbetrag der Heizungsbauerfirma in Höhe von 9.000 EUR will sie von ihren Brüdern 6.000 EUR wiederhaben. Diese verweigern die Zahlung mit dem Hinweis, sie habe den Auftrag allein erteilt.

Die Beauftragung des Heizungsinstallateurs war zweifellos eine Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses i.S. v § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB. Da sich beide Brüder im Ausland aufgehalten haben, war es auch eine Notverwaltungsmaßnahme i.S.v. § 2038 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB.

Nach h.M. gewährt das Notverwaltungsrecht nicht nur ein Alleingeschäftsführungsrecht für jeden einzelnen Miterben, sondern auch ein Alleinvertretungsrecht.[236] T hätte also nach außen auch für sich selbst und die beiden Brüder den Auftrag erteilen können.

Da sie aber im eigenen Namen gehandelt hat, wurde sie gegenüber dem Auftragnehmer im Außenverhältnis allein verpflichtet. Und das bedeutet wiederum, dass aus dem Werkvertrag keine Nachlassverbindlichkeit entstanden ist. § 2058 BGB und ihm folgend § 426 BGB finden deshalb keine Anwendung. Auf der Grundlage von § 426 BGB kann sie deshalb keinen Ausgleich von ihren Brüdern verlangen.

Aber im Innenverhältnis war sie zur entsprechenden Geschäftsführung befugt und kann deshalb gem. § 670 BGB Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen, soweit diese sie nicht selbst treffen. Da alle drei Kinder zu je einem Drittel Erben des Erblassers geworden sind, hat T von den Aufwendungen ⅓ zu tragen und S1 und S2 ebenfalls jeweils ein Drittel, so dass jeder von ihnen 3.000 EUR an T erstatten muss.

Als weitere Anspruchsgrundlage kommt § 748 BGB in Betracht, auf den § 2038 Abs. 2 BGB verweist.

Sowohl wegen des Ersatzanspruchs nach § 670 BGB als auch wegen desjenigen aus § 748 BGB haften S1 und S2 unbeschränkt, aber auf den Nachlass beschränkbar, weil es sich um Aufwendungen für den Nachlass handelt.

Kommt es zum Prozess gegen S1 und S2, so haften diese der T als Gesamtschuldner und müssen ihre Haftungsbeschränkungsmöglichkeit durch einen Vorbehalt nach § 780 ZPO geltend machen.

Variante zum Beispiel

T hat bei der Auftragserteilung nicht im eigenen Namen gehandelt, sondern für sich und in Vertretung für S1 und S2.

In diesem Falle wäre eine Nachlassverbindlichkeit nach außen entstanden. Fraglich wäre nur, welchen Vermögensteil von S1 und S2 die T hätte verpflichten können, mit anderen Worten: wie weit reichte ihre Vertretungsmacht aus § 2038 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB?

Damit hat sie sich sowohl mit ihrem Eigenvermögen (kraft allgemeinen Vertrags- und Schuldrechts) als auch mit dem Nachlass verpflichtet, auch soweit S1 und S2 Erben geworden sind – es handelt sich um eine Nachlasserbenschuld. Die Vollmacht des § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB eröffnet diese Vertretungsmacht. Sollte aber nur der Nachlass verpflichtet werden und war dies auch nach außen erkennbar, so würde nur der Nachlass haften.[237]

[234] BGHZ 23, 363; BGHZ 47, 166; BGH NJW 1986, 3132.
[235] BGHZ 23, 361, 363.
[236] BGHZ 6, 76, 83 ff. = NJW 1952, 1252; BGH NJW 1958, 2061; Bertzel, AcP 158 (1959/60), 107, 121; BGH NJW 1962, 2280; Lange/Kuchinke, § 43 IV 3; Brox/Walker, Rn 482; Erman/Schlüter, § 2038 Rn 13; MüKo/Gergen, § 2038 Rn 61.
[237] MüKo/Gergen, § 2038 Rn 61, ...

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