1. Einzelkaufmännisches Handelsgeschäft im Nachlass

 

Rz. 299

Mit dem Tod des Erblassers gehen grundsätzlich auch seine Handelsunternehmen und gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen auf seinen bzw. seine Erben über. Hat der Erblasser als Einzelkaufmann ein Handelsgeschäft betrieben, so fällt es in den Nachlass. Nach § 22 Abs. 1 HGB können die Erben dieses Geschäft fortführen, ohne dass mit dessen Fortführung durch mehrere Erben notwendig ein gesellschaftsrechtlicher Zusammenschluss der Miterben verbunden wäre.[319] Selbst eine Erbengemeinschaft, die nur aus Vorerben besteht, kann das Handelsgeschäft als Erbengemeinschaft fortführen,[320] nicht aber eine Gemeinschaft, die nur aus Erbteilserwerbern besteht.[321]

Eine Sondererbfolge wie bei oHG und KG findet beim einzelkaufmännischen Handelsgeschäft nicht statt.

 

Rz. 300

Das zum Nachlass gehörende Handelsgeschäft kann von den Erben ohne zeitliche Begrenzung in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführt werden (Fälle aus der BGH-Rechtsprechung: Fortführung 17 bzw. 6 Jahre). Nach § 31 Abs. 1 HGB sind die Miterben in das Handelsregister einzutragen, und zwar in Erbengemeinschaft.

Im Schrifttum wird – im Gegensatz zur BGH-Rechtsprechung – teilweise die Meinung vertreten, die gemeinschaftliche Fortführung des Handelsgeschäfts über die dreimonatige Frist des § 27 Abs. 2 HGB hinaus habe eine Zwangsumwandlung der Erbengemeinschaft in eine oHG in Bezug auf das Handelsgeschäft zur Folge.[322] Aber das geltende Recht kennt einen solchen Umwandlungszwang aus einer Erbengemeinschaft in eine oHG nicht. Denn dafür wäre der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags erforderlich. Daraus folgt: Die Fortführung des Handelsgeschäfts ist Verwaltung i.S.v. § 2038 BGB und unterliegt deshalb denselben Regeln wie die Verwaltung des sonstigen Nachlasses nach §§ 2038, 743 ff. BGB. Problematisch ist, dass jeder Miterbe nach § 27 HGB haftet, wenn er der Fortführung des Geschäfts ausdrücklich oder konkludent zustimmt. Will er dies vermeiden, so muss er die Erbschaft ausschlagen oder die Auseinandersetzung betreiben. Eine einseitige Haftungsbegrenzungserklärung für den Miterben, entsprechend § 25 Abs. 1 HGB, kommt nicht in Betracht, da er dafür einen Beschluss der Erbengemeinschaft benötigt. Aus rein faktischen Gründen sind die Miterben deshalb nicht selten gezwungen, das Unternehmen weiterzuführen. Damit haften sie für Alt- und Neuverbindlichkeiten.[323]

 

Rz. 301

Im Innenverhältnis können auf die zwischen den Miterben bestehenden Rechtsbeziehungen die Grundsätze der oHG anwendbar sein, wenn das Unternehmen längere Zeit als werbende Gesellschaft fortgeführt wird.[324] Die Fragen der Vertretung bei Geschäftsfortführung sind wegen der gesamthänderischen Handlungsweise der Miterben unbefriedigend gelöst.

 

Rz. 302

Ein von den Miterben bestellter Vertreter kann immer nur die Miterben als solche, nicht aber die Erbengemeinschaft (wegen ihrer nicht in allen Teilen bestehenden Rechtsfähigkeit) vertreten. Die von den Miterben erteilte Vollmacht stellt demnach keine einheitliche Bevollmächtigung der Erbengemeinschaft dar, sondern ist eine Mehrzahl von Einzelvollmachten. Deshalb muss eine Prokura auch von sämtlichen Miterben erteilt werden. Dies hat zur Folge, dass auch der Widerruf der Prokura von den Miterben gemeinsam erfolgt, denn nach § 48 HGB ist die Prokura vom "Inhaber des Handelsgeschäfts" zu erteilen, und das sind alle Erben.

Der BGH (Widerruf der Prokura durch die Erben):[325]

Zitat

"(…) Die Vollmacht, die die Erben einem Miterben erteilen, ist also im Rechtssinn nicht eine einheitliche Vollmacht, sondern eine Vielzahl von Vollmachten. Dieser Beurteilung entspricht es, daß in einem Fall dieser Art der Widerruf der Vollmacht nicht eine Verwaltungshandlung im Sinne des § 2038 BGB ist, die nur von allen Erben gemeinschaftlich vorgenommen werden könnte, sondern daß der Widerruf eine Angelegenheit eines jeden einzelnen Miterben ist, den jeder jeweils mit Wirkung für sich aussprechen kann (KG HRR 1937 Nr. 1368)."

 

Rz. 303

Die nach Erbrecht beschränkbare Haftung der Erben auf den Nachlass kann für das Handelsrecht nicht ohne Weiteres gelten. Nach §§ 27 Abs. 1, 25 Abs. 1 HGB haften die Erben unbeschränkt für alle vom Erblasser in seinem Unternehmen begründeten Verbindlichkeiten, wenn die Erben das Geschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines Nachfolgezusatzes fortführen. Das bedeutet: Die nach BGB vorgesehenen Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung für die Erben bleiben wirkungslos.

Voraussetzung für diese Haftungsverschärfung ist jedoch die Eintragung des Kaufmanns in das Handelsregister (§ 5 HGB n.F.), weil § 25 Abs. 1 HGB die Fortführung eines Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma voraussetzt.[326] Dies gilt für die bereits bestehenden Geschäftsverbindlichkeiten.

 

Rz. 304

Schulden, die nach dem Erbfall im Zusammenhang mit der Fortführung des Handelsgeschäfts begründet werden, sind Nachlasserbenschulden, wenn ihre Eingehung zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses gehört (§ 2038 Abs. 1 BGB). Der Gläubiger solcher Nachlasserbenschulden erla...

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