Rz. 94

Die Widerrufsfrist beträgt nach § 650l S. 1 i.V.m. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB 14 Tage. Sie beginnt gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

 

Rz. 95

Für die Fristberechnung gelten die allgemeinen Grundsätze des BGB, mithin die §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 1. Alt. und 193 BGB.[193]

 

Rz. 96

Nach Ansicht des Gesetzgebers reicht eine Widerrufsfrist von 14 Tagen aus, "um den mit der Einführung des Widerrufsrechts angestrebten Zweck zu erreichen, einem Verbraucher, der sich vorschnell zum Abschluss eines Bauvertrags entschlossen hat, während einer kurzen Bedenkzeit eine unkomplizierte Lösung vom Vertrag zu ermöglichen".[194]

 

Rz. 97

Im Falle des Widerrufs sind nach § 355 Abs. 3 S. 1 BGB die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese gemäß § 355 Abs. 3 S. 2 BGB für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt beim Widerruf gemäß § 355 Abs. 3 S. 4 BGB die Gefahr der Rücksendung der Waren.

 

Rz. 98

 

Beachte: Besonderheiten beim Verbraucherbauvertrag in Bezug auf den Lauf der Widerrufsfrist

Bei einem Verbraucherbauvertrag (§ 650i Abs. 1 BGB) beginnt nach § 356e S. 1 BGB die Widerrufsfrist allerdings nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher gemäß Art. 249 § 3 EGBGB über sein Widerrufsrecht belehrt hat (dazu nachstehende Rdn 103 ff.).

Das Widerrufsrecht erlischt gemäß § 356e S. 2 BGB (Erlöschen des Widerrufsrechts)[195] spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in § 355 Abs. 2 S. 2 BGB genannten Zeitpunkt. (d.h. dem Vertragsschluss, Rdn 94). Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Verbraucher den Vertrag einseitig widerrufen.

Vgl. auch die mit § 356e S. 2 BGB korrespondierende Norm des § 356 Abs. 3 S. 2 BGB für nicht-privilegierte Bauverträge in bestimmten Vertriebsformen.

Stretz[196] weist darauf hin, dass das Widerrufsrecht beim Verbraucherbauvertrag außer nach § 356e S. 2 BGB nicht auch nach allgemeinen Grundsätzen – nämlich vollständige Vertragserfüllung (§ 356 Abs. 4 BGB),[197] Verwirkung[198] bzw. Missbrauch[199]  – erlöschen kann.

 

Rz. 99

 

Beachte: Besonderheiten in Bezug auf die Rechtsfolgen des Widerrufs bei Verbraucherbauverträgen

Der wirksame Widerruf begründet mit ex-nunc-Wirkung ein Rückgewährschuldverhältnis nach § 355 Abs. 3 BGB: D.h. es entstehen vertragliche Ansprüche auf Rückgewähr der empfangenen Leistungen (bzw. ggf. auf Wertersatz nach § 357d BGB), nämlich ein

Anspruch des Verbrauchers auf unverzügliche (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) Rückzahlung des Werklohns (§ 650l S. 1 i.V.m. § 355 Abs. 3 BGB) bzw. ein
Anspruch des Unternehmers auf unverzügliche (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) Rückgewähr der empfangenen Leistungen in Natur (§ 650l S. 1 i.V.m. § 355 Abs. 3 BGB). Ist dies nicht möglich, hat der Unternehmer einen Anspruch auf Wertersatz nach § 357d BGB.

Ist die Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Leistung ihrer Natur nach ausgeschlossen (z.B. ein bereits erfolgter Aushub einer Baugrube, ein betoniertes Gebäudefundament oder eine Dachstuhlerrichtung),[200] schuldet der Verbraucher dem Unternehmer nach § 650l S. 1 i.V.m. § 357d S. 1 BGB also Wertersatz. Bei der Berechnung des Wertersatzes ist gemäß § 357d S. 2 BGB die vereinbarte Vergütung (d.h. die Urkalkulation – einschließlich Wagnis und Gewinn)[201] zugrunde zu legen.[202] Ist die vereinbarte Vergütung "unverhältnismäßig hoch",[203] ist der Wertersatz nach § 357d S. 3 BGB (ausnahmsweise) auf der Grundlage des Marktwertes der erbrachten Leistung zu berechnen.

Die Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis verjähren nach allgemeinen Grundsätzen, d.h. nach Maßgabe der §§ 195, 199 BGB.[204]

 

Rz. 100

 

Problem: Wertersatz bei nicht ordnungsgemäß erbrachter Werkleistung?

Bei Ausübung des Widerrufsrechts stehen dem Verbraucher im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses im Falle einer mangelhaft erbrachten Bauleistung keine Mängelgewährleistungsrechte zu – gleichwohl muss er ggf. nach § 357d S. 1 BGB Wertersatz für ein mangelhaftes Werk (in Höhe der vereinbarten Vergütung) zahlen. In Bezug auf einen solchen Fall plädiert Stretz[205] dafür, den geschuldeten Wertersatz nach § 357d S. 3 BGB auf den objektiven Wert der tatsächlich erbrachten Leistung (und nicht der vereinbarten Leistung) zu reduzieren (womit mangelbedingte Wertminderungen in die Berechnung mit einfließen), wenn die vereinbarte Vergütung "unverhältnismäßig hoch" ist. Ist die vereinbarte Vergütung hingegen nicht unverhältnismäßig hoch, soll zur Lösung des Problems § 638 BGB analog (Minderung) zur Anwendung gelangen.[206]

 

Rz. 101

 

Beachte auch den Wertersatzanspruch nach § 357 Abs. 8 BGB beim nicht-privilegierten Bauvertrag in bestimmten Vertriebsformen:

Widerruft der Verbraucher einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, so schuldet er dem Unternehmer nach § 357 Abs. 8 S. 1 BGB Wertersatz für die ...

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