Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 16
Die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts für seinen Mandanten kann beratend sein und aus einer Vertretung bestehen. Ob die Vertretung mündlich ("vorstellig werden"), fernmündlich oder schriftlich erfolgt, ist für das Entstehen einer Gebühr unerheblich. Wichtig ist, dass der Anwalt auftragsgemäß gehandelt hat. In der Regel werden Anwälten Aufträge durch schlüssiges Verhalten erteilt (konkludent).
Beispiel
Arbeitnehmer A kommt zu Anwalt B und legt eine schriftliche Kündigung vor sich auf den Tisch. B fragt, was er für A tun kann. A beginnt zu erzählen. Damit ist der Beratungsauftrag erteilt. Das Erfassen des Sachverhaltes ist bereits eine anwaltliche Leistung. Der Anwalt wird das Gespräch strukturieren und sich zu dem Zeitpunkt, den er bei diesem Mandanten in dieser Situation für richtig erachtet auch danach erkundigen, welche Bewandtnis es mit dem Schreiben hat, das A auf den Tisch gelegt hat.
Der Anwalt muss nicht ungefragt darauf hinweisen, dass seine Tätigkeit von seinem Mandanten zu vergüten ist. Wer Dienstleistungen in Anspruch nimmt, muss die damit verbundenen Kosten tragen. Gesetzlich normiert ist lediglich die Belehrung nach § 49b Abs. 5 BRAO und eine Hinweispflicht zu dem Ausschluss der Kostenerstattung nach § 12a Abs. 1 ArbGG.
Da § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG auch auf die Fälle der außergerichtlichen Vertretung in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten angewandt wird, obwohl der Wortlaut ausdrücklich vom Urteilsverfahren der ersten Instanz spricht und sich die Norm in der Prozessordnung für das arbeitsgerichtliche Verfahren befindet, wird auch eine Belehrungspflicht des Anwalts bei der Übernahme einer außergerichtlichen Vertretung angenommen. Diese Auffassung ist nicht richtig, weil sich die Frage, ob die Gegenseite die Kosten tragen muss, auch bei anderen Verfahren, wo eine solche Kostentragungspflicht dem materiellen Recht entspricht, erst nach Klärung der Rechtslage wegen der Hauptforderung beantwortet werden kann.
Zur Sicherung seiner Vergütungsansprüche sollte der Rechtsanwalt allerdings vorsorglich die Rechtslage zur Kostentragungspflicht in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten besprechen. Solange der Rechtsanwalt seine Dienstleistung noch nicht abgeschlossen hat, sind Mandanten bereit, die für die Leistungserbringung erforderlichen Kosten (angemessener Vorschuss gemäß § 9 RVG) tatsächlich zu bezahlen.
I. Beratung
Rz. 17
Seit dem 1.7.2006 gibt es für die anwaltliche Beratung keine gesetzliche Vergütung mehr. Der Anwalt soll auf den Abschluss einer Gebührenvereinbarung hinwirken, § 34 RVG. Kommt es nicht zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung, erhält der Anwalt die nach bürgerlichem Recht übliche Vergütung.
1. Wegfall der gesetzlichen Beratungsgebühr
Rz. 18
Auf den Wegfall der gesetzlichen Beratungsgebühr haben Mandanten, Rechtsanwälte, aber auch Gerichte und Rechtsschutzversicherungen reagiert. Die eingetretenen Veränderungen differenzieren nach Rechtsgebieten, örtlichen Verhältnissen, Mandanten und Kanzleien. Die nach Nr. 2100 VV a.F. berechnete Beratungsgebühr ist häufig immer noch die übliche Vergütung, insbesondere wenn keine Vereinbarung getroffen worden ist (Theorie der Beharrlichkeit).
Rz. 19
Manche Mandanten suchen gezielt Kanzleien auf, die für eine erste Beratung keine (angemessene) Vergütung beanspruchen. Hierfür spricht, dass Deutschland als Dienstleistungswüste bekannt ist. Es fehlt oft die Bereitschaft, für Dienstleistungen Geld auszugeben, und die Einsicht, dass der Leistende auf andere Art und Weise seinen Unterhalt bestreitet und daher nicht nur das Wohl des Beratenden im Kopf hat. So wie bei anderen Anbietern (z.B. Outplacementberatern, Coaches) wird das erste Gespräch unentgeltlich verlangt und von manchen Anwälten auch angeboten. Zum Nulltarif erfolgt nicht nur das Kennenlernen des Rechtsanwalts, sondern auch die Beratungsleistung selbst (Theorie der Nachfragemärkte). Zu beobachten sind verschiedene Bestrebungen von Rechtsanwälten, arbeitsrechtliche Mandate zu bekommen. Eine Strategie ist dadurch gekennzeichnet, dass arbeitsrechtliche Beratungen zu Preisen angeboten werden, die nicht kostendeckend sein können. Für die Anwälte besteht der Vorteil einer solchen Strategie darin, dass bei arbeitsrechtlichen Mandaten häufig dem Mandanten allein mit einer Beratung nicht genügend geholfen ist und er einen Vertretungsauftrag erteilt. Wegen der gesetzlichen Anrechnung (§ 34 Abs. 2 RVG) der Beratungsgebühr auf die Kosten einer anwaltlichen Vertretung wirken sich niedrige Beratungspreise wirtschaftlich weder für den Anwalt noch für den Mandanten aus. Die eigentliche Schwierigkeit einer nachfrageorientierten Strategie ist der Übergang von der ersten zur weiteren Beratung.
Rz. 20
Die Theorie des Informationsvorsprungs geht davon aus, dass Anwälte Dienste höherer Art erbringen. Dies bedeutet, dass regelmäßig weder das Erstellen der Leistung noch das Beurteilen der primären Leistung für Mandanten nachvollziehba...