Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 17
Seit dem 1.7.2006 gibt es für die anwaltliche Beratung keine gesetzliche Vergütung mehr. Der Anwalt soll auf den Abschluss einer Gebührenvereinbarung hinwirken, § 34 RVG. Kommt es nicht zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung, erhält der Anwalt die nach bürgerlichem Recht übliche Vergütung.
1. Wegfall der gesetzlichen Beratungsgebühr
Rz. 18
Auf den Wegfall der gesetzlichen Beratungsgebühr haben Mandanten, Rechtsanwälte, aber auch Gerichte und Rechtsschutzversicherungen reagiert. Die eingetretenen Veränderungen differenzieren nach Rechtsgebieten, örtlichen Verhältnissen, Mandanten und Kanzleien. Die nach Nr. 2100 VV a.F. berechnete Beratungsgebühr ist häufig immer noch die übliche Vergütung, insbesondere wenn keine Vereinbarung getroffen worden ist (Theorie der Beharrlichkeit).
Rz. 19
Manche Mandanten suchen gezielt Kanzleien auf, die für eine erste Beratung keine (angemessene) Vergütung beanspruchen. Hierfür spricht, dass Deutschland als Dienstleistungswüste bekannt ist. Es fehlt oft die Bereitschaft, für Dienstleistungen Geld auszugeben, und die Einsicht, dass der Leistende auf andere Art und Weise seinen Unterhalt bestreitet und daher nicht nur das Wohl des Beratenden im Kopf hat. So wie bei anderen Anbietern (z.B. Outplacementberatern, Coaches) wird das erste Gespräch unentgeltlich verlangt und von manchen Anwälten auch angeboten. Zum Nulltarif erfolgt nicht nur das Kennenlernen des Rechtsanwalts, sondern auch die Beratungsleistung selbst (Theorie der Nachfragemärkte). Zu beobachten sind verschiedene Bestrebungen von Rechtsanwälten, arbeitsrechtliche Mandate zu bekommen. Eine Strategie ist dadurch gekennzeichnet, dass arbeitsrechtliche Beratungen zu Preisen angeboten werden, die nicht kostendeckend sein können. Für die Anwälte besteht der Vorteil einer solchen Strategie darin, dass bei arbeitsrechtlichen Mandaten häufig dem Mandanten allein mit einer Beratung nicht genügend geholfen ist und er einen Vertretungsauftrag erteilt. Wegen der gesetzlichen Anrechnung (§ 34 Abs. 2 RVG) der Beratungsgebühr auf die Kosten einer anwaltlichen Vertretung wirken sich niedrige Beratungspreise wirtschaftlich weder für den Anwalt noch für den Mandanten aus. Die eigentliche Schwierigkeit einer nachfrageorientierten Strategie ist der Übergang von der ersten zur weiteren Beratung.
Rz. 20
Die Theorie des Informationsvorsprungs geht davon aus, dass Anwälte Dienste höherer Art erbringen. Dies bedeutet, dass regelmäßig weder das Erstellen der Leistung noch das Beurteilen der primären Leistung für Mandanten nachvollziehbar ist. Mit dem Wegfall der gesetzlichen Beratungsgebühr konnten einige Anwälte ihren Wissensvorsprung zu deutlichen Preiserhöhungen nutzen. Nach der Theorie der Preisdifferenzierung gibt es sowohl Nachfrager als auch Anbieter, die ihre Preisvorstellung am Markt durchsetzen. Dazu gehören auch Nachfrager, die die Beratungsleistung unentgeltlich abfordern. Dazu gehören auch Anwälte, die ihr Leistungsangebot und den Preis exakt definieren.
Rz. 21
Vor solchen Preissprüngen sind Verbraucher durch § 34 Abs. 1 S. 3 RVG besonders geschützt. Neben der weiteren Geltung der Höchstgrenze für die Erstberatung gilt seit dem 1.7.2006 eine Höchstgrenze für die Beratungsgebühr von 250 EUR, wenn keine Vergütungsvereinbarung geschlossen wird. Arbeitnehmer sind Verbraucher im Sinne des RVG.
Rz. 22
Bei der Vergütungsvereinbarung für eine Beratung (§ 34 RVG) gelten die Formvorschriften des § 3a Abs. 1 S. 1 und 2 RVG nicht (§ 3a Abs. 1 S. 3 RVG).
2. Anwendung des § 14 Abs. 1 RVG
Rz. 23
Gemäß § 34 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 RVG gilt § 14 Abs. 1 RVG entsprechend. Hiernach bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Nach § 14 Abs. 1 S. 2 RVG kann auch ein besonderes Haftungsrisiko herangezogen werden. Im Hinblick auf die gesetzliche Begrenzung des Werts in Kündigungssachen durch § 42 Abs. 2 GKG ist festzustellen, dass der gesetzliche Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit regelmäßig nicht dem Interesse des Mandanten an der Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses entspricht. Es ist daher in Kündigungssachen im Allgemeinen von einem besonderen Haftungsrisiko auszugehen. Hinzu kommen die Haftungsgefahren aufgrund von sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen arbeitsrechtlicher Regelungen und die Belehrungspflichten, die den Anwalt treffen, auch wenn er insoweit nicht mandatiert ist (Zahlungsansprüche, weitere Kündigungen). Aus fehlenden oder fehlerhaften Niederschriften der wesentlichen Vertragsbedingungen resultieren zusätzliche Haftungsgefahren. Tarifverträge sollen bei pauschaler Inbezugnahme im Arbeitsvertrag zu Last...