Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
1. Bedeutung der Vorschriften
Rz. 51
Zur außergerichtlichen Vertretung gehört das Anschreiben der Gegenseite (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer), das Schreiben an Dritte (z.B. Niedersächsisches Landesamt für Soziales, Jugend und Familie – Integrationsamt), die Korrespondenz mit dem Betriebsrat und auch das Entwerfen von Erklärungen (Kündigung, Zurückweisung) und Verträgen (Abwicklungsvertrag, Aufhebungsvertrag, Zusage). Die Geschäftsgebühr entsteht für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. Wenn Rechtsschutzversicherungen die Ansicht vertreten, der Anwalt schulde bei einem arbeitsrechtlichen Mandat auch die Abwicklung der Kosten mit ihr, kommt man auch bei einer bloßen arbeitsrechtlichen Beratung zum Anwenden der Geschäftsgebühr.
Rz. 52
Achtung: Wenn man auf außergerichtliche Erledigung setzt, geht man im Arbeitsrecht wegen kurzer gesetzlicher Klagefristen erhebliche Haftungsrisiken ein.
2. Abgrenzung zum einfachen Schreiben gemäß Nr. 2301 VV
Rz. 53
Der dritte Abschnitt des VV enthält auch Nr. 2301 VV, wonach der Anwalt für Schreiben einfacher Art eine Gebühr von 0,3 bekommt. Da diese Gebühr geringer ist als die Satzrahmengebühr der Nr. 2300 VV (Satzrahmen 0,5 bis 2,5), stellt sich die Frage, welche Schreiben unter Nr. 2301 VV fallen. Was ein Schreiben einfacher Art ist, ist in der Anmerkung zu Nr. 2301 VV legal definiert. Demnach handelt es sich um ein Schreiben einfacher Art, wenn dieses weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthält. Maßgeblich ist insoweit der Inhalt des Auftrages, was zur Folge hat, dass Nr. 2301 VV nicht einschlägig ist, wenn dem einfachen Schreiben auftragsgemäß eine umfangreiche Prüfung oder Überlegungen vorausgingen. Die fristgerechte Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sieht einfach aus. Die dahinterstehenden Belehrungs- und Beratungspflichten für den beauftragten Rechtsanwalt sind dagegen schwierig. Nr. 2301 VV ist deshalb nicht anwendbar.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass aufgrund der persönlichen Bedeutung für den Mandanten und der im Arbeitsrecht sehr häufig gegebenen Fragestellungen aus dem Sozial- und Steuerrecht, ein solches Schreiben ohne vorherige umfassende Prüfung nur sehr selten vorliegt.
Rz. 54
Die Frage der Abgrenzung zum einfachen Schreiben stellt sich nur innerhalb einer Angelegenheit. Wenn der Mandant beispielsweise eine fristgerechte Kündigung erhalten hat und den Rechtsanwalt zunächst mit dem Erheben der Kündigungsschutzklage sowie später mit dem Anfordern eines qualifizierten Zeugnisses beauftragt, handelt es sich gebührenrechtlich um zwei verschiedene Aufträge. Der Auftrag wegen der Kündigung löst Gebühren nach Nr. 3100 aus, da hier keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV entsteht. Bei der Anforderung eines qualifizierten Zeugnisses muss Nr. 2300 VV von Nr. 2301 VV abgegrenzt werden, da sich dieser Auftrag erstmal nur auf die außergerichtliche Vertretung und Geltendmachung des Anspruchs beschränkt.
3. Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV und Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV
Rz. 55
Kommt man zur Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeit nach Nr. 2300 VV sind alle in dieser Angelegenheit anfallenden außergerichtlichen Tätigkeiten des Anwalts einschließlich etwaiger Besprechungen mit dem Gegner oder Dritten von der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV abgedeckt. Eine gesonderte Besprechungsgebühr (früher § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) gibt es nicht mehr. Gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV muss die Geschäftsgebühr zur Hälfte, aber maximal bis 0,75, auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden. Dieses gilt nicht, wenn die außergerichtliche Vertretung im Rahmen einer Vergütungsvereinbarung abgerechnet wird. Dann findet keine Anrechnung statt.
Rz. 56
Der Gebührensatzrahmen reicht von 0,5 bis 2,5. Die Regelgebühr beträgt 1,3 (Anmerkung zu Nr. 2300 VV), obwohl die Mittelgebühr bei 1,5 liegt (= (0,5 + 2,5) : 2). Daher kann in Angelegenheiten von durchschnittlichem Umfang und durchschnittlicher Schwierigkeit lediglich eine Gebühr von 1,3 gefordert werden.
Rz. 57
Eine höhere als die Regelgebühr kann entstehen, wenn der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände – vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers – eine Gebühr mit einem Gebührensatz von mehr als 1,3 bestimmt und die Tätigkeit des Anwalts umfangreich oder schwierig war. Durch eine Besprechung mit Dritten oder der Gegenseite wird die anwaltliche Tätigkeit umfangreicher, was zur Erhöhung der angemessenen Gebühr nach § 14 RVG führen kann. Allerdings ist hierfür ein kurzes Telefonat (z.B. kurze Mitteilungen, Sachsta...