Dipl.-Kfm. Michael Scherer
a) Prozessverbindung
Rz. 47
Ein Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die in diesen Prozessen eingeklagten Ansprüche in einem rechtlichen Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können (§ 147 ZPO). Voraussetzung für die Prozessverbindung sind also mehrere anhängige Prozesse und die Möglichkeit der objektiven oder subjektiven Klagenhäufung.
Die Prozessverbindung hat hinsichtlich der Wertberechnung keine rückwirkenden Auswirkungen. Die bis zur Verbindung ermittelten Einzelwerte der einzelnen Prozesse und damit auch die in ihnen entstandenen Gebühren bleiben unverändert erhalten.
Rz. 48
Von der Prozessverbindung an verfährt man dann wie bei einer Anspruchshäufung und addiert gemäß § 5 Hs. 1 ZPO die Einzelwerte der einzelnen Prozesse zu einem Gesamtstreitwert. Nach diesem Gesamtstreitwert werden dann alle noch neu entstehenden Gebühren berechnet. Dies ist wichtig, da wegen der Degression der Gebührentabellen die Gebühren nach dem zusammengerechneten Gesamtstreitwert geringer sind als es die zusammengerechneten Gebühren nach den Einzelstreitwerten der einzelnen Prozesse wären (vgl. § 1 Rdn 24 ff.).
Vor der Verbindung angefallene Gebühren werden auf die nachher neu entstehenden Gebühren angerechnet, wobei es gleichgültig ist, ob die anzurechnenden Gebühren vorher nur in einem oder in mehreren der später verbundenen Prozesse entstanden sind. Da die Verfahrensgebühr schon in jedem der Einzelprozesse erwachsen sein muss, kann sich dies z. B. auf die dem RA erwachsende Terminsgebühr auswirken.
Beispiel:
Zwei Prozesse werden gemäß § 147 ZPO verbunden. Prozess 1 hat einen Streitwert von 500,00 EUR und Prozess 2 einen von 800,00 EUR. RAin Mager vertritt den Kläger. In Prozess 1 war bereits vor der Verbindung in einem Termin verhandelt worden. Nach der Verbindung wird in einem neuen Termin verhandelt. RAin Mager erhält folgende Gebühren:
1,3 |
Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3101 VV RVG nach dem Wert von 500,00 EUR |
63,70 EUR |
1,3 |
Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG nach dem Wert von 800,00 EUR |
114,40EUR |
|
Summe: |
178,10 EUR |
1,2 |
Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG nach dem Gesamtwert von 1.300,00 EUR |
152,40 EUR |
|
darauf ist anzurechnen aus Prozess 1: |
|
1,2 |
Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG nach dem Wert von 500,00 EUR |
– 58,80 EUR |
|
sodass im verbundenen Verfahren nur noch zusätzlich entstehen: |
93,60 EUR |
Die sich nach der Verbindung ergebende Verfahrensgebühr nach dem Gesamtstreitwert von 1.300,00 EUR beträgt nur 165,10 EUR. Da sie niedriger ist, wählt die RAin die obige Berechnung vor der Verbindung, welche eine höhere Verfahrensgebühr von 178,10 EUR ergibt. Dies kann sie tun, da die Verbindung sich nur auf die nach der Verbindung entstehenden Gebühren auswirkt.
Merke:
Bei der Prozessverbindung bleiben die bis dahin ermittelten Werte und die entstandenen Gebühren unverändert erhalten. Nach der Prozessverbindung wird ein Gesamtstreitwert gebildet, der für alle neu erwachsenden Gebühren maßgebend ist.
b) Prozesstrennung
Rz. 49
Ein Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden (§ 145 ZPO). Der Gesamtstreitwert des Prozesses wird dann zerlegt in Einzelwerte für die nach der Trennung verbleibenden Einzelprozesse.
Kostenrechtlich hat dies einmal zur Folge, dass die bis zur Trennung entstandenen Gebühren erhalten bleiben. In den verbleibenden Einzelprozessen entstehen aber diese Gebühren auch. Wegen der Degression der Gebührentabellen werden die zusammengerechneten Gebühren nach den Einzelstreitwerten der einzelnen Prozesse aber höher sein als die Gebühren nach dem zusammengerechneten Gesamtstreitwert des Verfahrens vor der Prozesstrennung (vgl. § 1 Rdn 24 ff.). Deshalb darf der RA die hierdurch entstehende Differenz nachberechnen.
Beispiel:
Ein Prozess wird gemäß § 145 ZPO in zwei Einzelprozesse aufgetrennt. Prozess 1 hat einen Streitwert von 500,00 EUR und Prozess 2 einen von 800,00 EUR. RAin Mager vertritt den Kläger. Vor der Prozesstrennung war bereits in einem Termin verhandelt worden. Nach der Trennung wird in den Einzelprozessen erneut verhandelt, dann ergehen die Urteile. RAin Mager kann folgende Gebühren (nach)berechnen:
1,3 |
Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3101 VV RVG nach dem Wert von 500,00 EUR |
63,70 EUR |
1,3 |
Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG nach dem Wert von 800,00 EUR |
114,40 EUR |
|
Summe: |
178,10 EUR |
|
abzüglich der bereits berechneten Verfahrensgebühr nach dem Gesamtstreitwert von 1.300,00 EUR vor Trennung: |
– 165,10 EUR |
= |
nachzuberechnende Verfahrensgebühr |
13,00 EUR |
1,2 |
Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG nach dem Wert von 500,00 EUR |
58,80 EUR |
1,2 |
Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG nach dem Wert von 800,00 EUR |
105,60 EUR |
|
|
164,40 EUR |
|
abzüglich der bereits berechneten Terminsgebühr nach dem Gesamtstreitwert von 1.300,00 EUR vor Trennung: |
– 152,... |