Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 37
Normalerweise gilt der Grundsatz des § 5 Hs. 1 ZPO wie auch des § 22 Abs. 1 RVG, dass mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden. In der Praxis ist es die Regel, dass insbesondere bei Geldforderungen Nebenforderungen zusammen mit der Hauptforderung eingeklagt werden. Denken Sie hier nur z. B. an die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB). Es wäre nun aber sehr umständlich, solche sich ständig erhöhenden Zinsbeträge zu berechnen und in den Streitwert mit einzurechnen.
Deshalb ordnet § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO ein Additionsverbot für einige Arten von Nebenforderungen an, soweit diese nur als Nebenforderungen geltend gemacht werden. Ein Anspruch ist dann eine Nebenforderung, wenn er von einer Partei neben dem Hauptanspruch erhoben wird und wenn er von dem Hauptanspruch rechtlich abhängig ist. Die in § 4 ZPO aufgezählten Nebenforderungen sind also für die Wertberechnung ohne jede Bedeutung, wenn sie zusammen mit der Hauptforderung eingefordert werden. In § 43 Abs. 1 GKG und in § 37 FamGKG wird dieses Additionsverbot auch für den Gebührenstreitwert bestätigt.
Zu den unter das Additionsverbot fallenden Nebenforderungen gehören nur die im Gesetz genannten: Früchte, Nutzungen, Kosten und Zinsen. Diese vier Arten sollen nachfolgend näher erläutert werden.
Früchte: Früchte einer Sache sind die Erzeugnisse oder sonstige Ausbeute einer Sache (§ 99 BGB). Beispiele: Milch von der Kuh, Wolle vom Schaf, Äpfel vom Baum. Wird die Herausgabe eines Schafes nebst der geschorenen Wolle verlangt, so darf der Wert der Wolle nicht zum Wert des Hauptgegenstandes (Schaf) addiert werden. Ist das Schaf dagegen noch ungeschoren, so ist sein Wert natürlich um den Wert seiner Wolle höher.
Nutzungen: Nutzungen sind einmal die Früchte einer Sache oder eines Rechtes und zusätzlich die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt (§ 100 BGB). Das herauszugebende Schaf könnte z. B. als "Rasenmäher" gedient haben und damit die Kosten für ein "Mietschaf" eingespart haben.
Kosten: Kosten im Sinne des § 4 ZPO bzw. des § 43 Abs. 1 GKG und des § 37 FamGKG sind alle Beträge, die der Kläger zur Durchsetzung seines Anspruches vorprozessual aufwenden musste. Hierzu gehören alle außergerichtlichen Kosten, die der Durchsetzung des Anspruches dienten, wie z. B. Mahnkosten, Inkassokosten, Kosten eines Privatgutachtens, Reisekosten, usw. Weiterhin gehören hierzu auch die Kosten eines früheren Prozesses, der wegen desselben Anspruches geführt worden ist, also z. B. die Kosten der ersten Instanz.
Die Verfahrenskosten des gerade laufenden Rechtsstreites gehören nicht zu den Kosten im Sinne des § 4 ZPO bzw. des § 43 Abs. 1 GKG, da sie nicht mit eingeklagt zu werden brauchen, sondern der unterliegenden Partei in der gerichtlichen Entscheidung von Amts wegen, soweit sie notwendig waren, auferlegt werden (§§ 91 ff., 308 Abs. 2 ZPO). Auch in Familiensachen entscheidet das Familiengericht über die Kostentragungspflicht der Kosten des laufenden Verfahrens gemäß § 81 FamFG.
Zinsen: Im Sinne des § 4 ZPO bzw. des § 43 Abs. 1 GKG und des § 37 FamGKG sind sowohl vertragliche als auch gesetzliche Zinsen Nebenforderungen, wenn sie zusammen mit der Hauptforderung geltend gemacht werden. Dies gilt auch für als Verzugsschaden eingeforderte Zinsen, aber nicht für anderen Verzugsschaden.
Wenn der Hauptanspruch sich nicht mehr im Streit befindet, sind die weiterhin darauf eingeforderten Zinsen nun allerdings zu einer Hauptforderung geworden; dies gilt selbst dann, wenn noch ein Teil des Hauptanspruches in dem Rechtszug anhängig ist.
Beispiel:
Ohnesorg klagt gegen Sorglos auf Zahlung von 1.000,00 EUR nebst 10 % Zinsen seit 1 Jahr. Noch vor dem ersten Verhandlungstermin erkennt der Sorglos einen Teilbetrag der Hauptforderung von 700,00 EUR an und zahlt diesen Betrag, jedoch ohne Zinsen. Wegen der restlichen 300,00 EUR und der 10 % Zinsen auf die 1.000,00 EUR bleibt das Verfahren anhängig. Der Kläger macht nun die nicht gezahlten Zinsen auf die Teilforderung von 700,00 EUR als weitere Hauptforderung geltend. Über die verbliebenen Ansprüche wird im ersten Verhandlungstermin streitig verhandelt.
Nach dem Anerkenntnis beläuft sich der Streitwert auf 300,00 EUR zuzüglich der nicht gezahlten 10 % Zinsen auf 700,00 EUR für ein Jahr (= 70,00 EUR), also auf 370,00 EUR. Die Zinsen auf den nicht mehr streitigen Teilbetrag sind zur noch streitigen Hauptforderung geworden, da sie nicht mehr als Nebenforderung von ("neben") den erledigten 700,00 EUR abhängig sind. Die Zinsen auf die noch strittigen 300,00 EUR bleiben weiterhin als Nebenforderung unberücksichtigt. So ist die Rechtsprechung mehrerer OLGe und des BGH.
Die Konsequenz: In diesem Verfahren ist die Verfahrensgebühr nach einem Wert von 1.000,00 EUR zu berechnen, da die zunächst eingeklagte Forderung von 1.000,00 EUR ohne Zinsen für den Wert maßgeblich ist. Nach dem Anerkenntnis wurde die verbliebene Hauptforderung von 300,00 EUR um eine w...