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Der Angelegenheitsbegriff ist auch in der Beratungshilfe nicht gesetzlich definiert. Es gelten die allgemeinen Erwägungen. Die Frage wurde durch die Gerichte sehr unterschiedlich beantwortet. Der Gesetzgeber hatte daher im Referentenentwurf zum 2. KostRMoG eine Erhöhung der Beratungs- und Geschäftsgebühr in der Beratungshilfe für jede unter eine andere Nummer des § 111 FamFG fallende Familiensache vorgesehen. Da sich in der Zwischenzeit jedoch eine gefestigte Auffassung in der Rechtsprechung gebildet hat, wurde von einer dahingehenden Änderung abgesehen.

Nach derzeitiger überwiegender Rechtsprechung wird bei Erteilung eines Beratungshilfescheins für die Angelegenheiten "Trennung, Scheidung und Folgesachen" bei einer anschließenden umfassenden Beratung durch einen Rechtsanwalt von vier Komplexen ausgegangen, die jeweils als gesonderte gebührenrechtliche Angelegenheit behandelt werden, sodass die Beratungsgebühr für insgesamt bis zu vier Angelegenheiten geltend gemacht werden kann.[46] Diese typisierten Komplexe sind in der Regel:

Scheidung als solche,
das persönliche Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgangsrecht),
Fragen im Zusammenhang mit Ehewohnung und Hausrat,
finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht, Vermögensauseinandersetzung).

Das OLG Sachsen-Anhalt[47] differenziert sogar zwischen folgenden, bis zu sechs verschiedenen beratungshilferechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Beendigung der Ehe:

Ehesachen i.S.v. §§ 111 Nr. 1, 121 FamFG,
Kindschaftssachen i.S.v. §§ 111 Nr. 2, 151 FamFG (ggf. auch §§ 111 Nr. 10 i.V.m. 266 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 FamFG),
Ehewohnungs- und Haushaltssachen i.S.v. §§ 111 Nr. 5, 200 FamFG,
Versorgungsausgleichssachen i.S.v. §§ 111 Nr. 7, 217 FamFG,
Unterhaltssachen i.S.v. §§ 111 Nr. 8, 231 FamFG (d.h. sowohl Kindschafts- als auch Ehegattenunterhalt) sowie
Güterrecht i.S.v. §§ 111 Nr. 9, 261 FamFG und sonstige Vermögensauseinandersetzungen (ggf. auch §§ 111 Nr. 10 i.V.m. 266 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG).

Die Anzahl der erteilten Beratungshilfescheine ist für die gebührenrechtliche Bewertung der Zahl der "Angelegenheiten", für die Beratungshilfe bewilligt wurde, nach ganz herrschender Meinung grundsätzlich ohne Bedeutung.[48] Eine Prüfung, wie viele gebührenrechtliche Angelegenheiten vorliegen, erfolgt danach nicht bereits im Rahmen der Bewilligung der Beratungshilfe, sondern erst bei der Vergütungsfestsetzung durch den Urkundsbeamten. Daher besteht die Möglichkeit, dass bei Erteilung eines Beratungshilfescheins mehrere Angelegenheiten abgerechnet werden, aber auch umgekehrt die Gefahr, dass trotz Vorliegens mehrerer Berechtigungsscheine die Vergütung nur einmal festgesetzt wird.

Diese Rechtsprechung zur Frage der Angelegenheit kann jedoch nicht ohne Weiteres auf die Tätigkeit außerhalb der Beratungshilfe übertragen werden. Hier kommt es auf den konkreten Einzelfall an.[49]

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