I. Gegenstandswert Aufrechnung
1. Frage
Rz. 64
Für den Mandanten wird außergerichtlich eine Forderung geltend gemacht, der Gegner weist die Forderung zurück und merkt dabei an, er hätte selbst auch noch Ansprüche gegen den Mandanten. – Können die Werte für die Berechnung des Gegenstandswertes addiert werden?
2. Antwort
Rz. 65
§ 23 Abs. 1 RVG bestimmt: Soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Diese Wertvorschriften gelten auch entsprechend für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte, S. 3.
Nach § 45 Abs. 1 GKG gilt, dass in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, zusammengerechnet werden. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend. Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.
Vorliegend kommt es daher darauf an, ob der Anspruch des Mandanten unbestritten bleibt, der Gegner jedoch mit seiner Forderung primär aufrechnet. In diesem Fall würde nur über den Bestand der Gegenforderung gestritten und eine Addition käme nicht in Betracht. Wird der Anspruch jedoch dem Grunde nach bestritten, wäre weiter danach zu differenzieren, ob mit der eigenen Forderung hilfsweise aufgerechnet wird oder diese unbedingt als Gegenanspruch geltend gemacht wird. In diesem Fall würden beide Werte addiert.
Kurpat führt dazu aus, dass für die Wertberechnung maßgebend sei, ob der Beklagte die Gegenforderung der Klageforderung ohne anderweitige Verteidigung oder nur für den Fall des Scheiterns seiner vorrangig erhobenen Einwendungen gegenüberstelle. Ob von einer Hilfsaufrechnung auszugehen sei, bestimme sich nach dem sachlichen Gehalt der Rechtsverteidigung. Beschränke sich der Streit auf den Bestand der Gegenforderung (Hauptaufrechnung), dann sei für eine Werterhöhung kein Raum.
II. Gegenstandswert Räumungsvergleich
1. Frage
Rz. 66
Der Mandant wurde in einem Räumungsverfahren nach Kündigung des Wohnungsmietvertrages vertreten. In der mündlichen Verhandlung wurde ein Vergleich ausgehandelt, wonach der Mandant die Kündigung akzeptiert und die Wohnung besenrein bis zu einem bestimmten Zeitpunkt übergibt. Vom Vermieter erhält er dafür eine Zahlung von 2.000 EUR. Der Streitwert wurde vom Gericht für das Verfahren nach § 41 GKG festgesetzt. Ein Mehrwert für den Vergleich wurde nicht berücksichtigt. – Muss Beschwerde gegen die Festsetzung eingelegt werden?
2. Antwort
Rz. 67
Die Wertfestsetzung ist nach § 32 Abs. 1 RVG auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren bindend. Beabsichtigt der Anwalt, bei der Vergütung auch einen Mehrwert zu berücksichtigen, wäre daher eine Beschwerde nach § 32 Abs. 2 RVG erforderlich. Diese hätte jedoch nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Wertfestsetzung durch das Gericht falsch ist. Entscheidend für den Wert ist dabei immer, worüber die Parteien streiten und nicht worauf sie sich einigen. Unerheblich ist es daher, worauf sich die Parteien verglichen haben, selbst wenn die nach dem Vergleich zu erbringende Leistung wertmäßig über dem verglichenen Anspruch liegt. Das OLG Hamm und OLG Karlsruhe haben daher entschieden, dass kein Vergleichsmehrwert entstehe, wenn sich die Parteien im Rahmen eines Räumungsrechtsstreits vergleichsweise über die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages gegen Zahlung einer Abfindung bzw. Umzugsbeihilfe einigen. Auch das OLG Düsseldorf hat festgestellt, dass eine Berücksichtigung nur dann in Betracht käme, wenn dadurch weitere Streitgegenstände miterledigt werden. N. Schneider differenziert ebenfalls. Werde die Umzugsbeihilfe oder eine vergleichbare Abfindung lediglich gewährt, um die Auszugsbereitschaft des Mieters zu erhöhen, kann diese nicht werterhöhend berücksichtigt werden. Werde sie hingegen als Gegenleistung zur Abgeltung anderer nicht anhängiger Ansprüche wie zum Beispiel eventueller Schadensersatzansprüche wegen Verschlechterung der Mietsache oder aufgrund unberechtigter Eigenbedarfskündigung bzw. den teilweisen Verzicht auf eine Räumungsfrist gewährt, dann wirke sich dies werterhöhend aus. Maßgebend ist dann jedoch nicht der vereinbarte Abfindungsbetrag, sondern der Wert des Anspruchs, der dadurch abgegolten werden soll. Denkbar wäre auch die Einbeziehung eines Anspruchs auf Rückzahlung der Kaution. Ist ein Mehrwert aufgrund der Einbeziehung solcher Ansprüche gegeben, sollte hierzu nach Möglichkeit bereits vor einer Wertfestsetzung konkreter Vortrag erfolgen, damit dies vom Gericht berücksichtigt werden kann.