1. Frage
Rz. 22
Mit dem Mandanten wurde für die vorgerichtliche Tätigkeit ein Pauschalhonorar vereinbart. Im gerichtlichen Verfahren wurde ein Vergleich erzielt, in dem der Beklagte auch Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe des mit der Klage geltend gemachten Betrages übernommen hat. Es wurde eine Kostenquotelung vereinbart. – Muss in der Kostenfestsetzung eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG vorgenommen werden?
2. Antwort
Rz. 23
In einer Entscheidung von 2014 hat der BGH in Fortführung seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG dem Grunde nach nicht in Betracht komme, wenn im Verhältnis zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten keine Geschäftsgebühr i.S.v. Nrn. 2300–2303 VV RVG entstanden ist, sondern die Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine zulässige Honorarvereinbarung getroffen hat, da sich in einem solchen Fall die Rechtsgrundlage für die Vergütung in der Vergütungsvereinbarung und nicht in den Vorschriften des VV RVG finde. Das vereinbarte Honorar sei keine Geschäftsgebühr in diesem Sinne; die Anrechnung einer fiktiven Geschäftsgebühr scheide aus. Im Rahmen der Kostenfestsetzung sei jedoch zu klären, ob die von den Parteien in einem Vergleich getroffene Kostenregelung auf der Grundlage erfolgte, dass außerprozessual eine anrechenbare Geschäftsgebühr angefallen oder eine Honorarvereinbarung getroffen worden ist. Nicht zu beanstanden sei der Ausgangspunkt, der Grundsatz der Nichtanrechenbarkeit unterliege dann einer Einschränkung, wenn ein Rechtsstreit durch Vergleich beendet wird und die von den Parteien hierbei getroffene Kostenregelung auf der Grundlage erfolgt ist, dass außerprozessual eine anrechenbare Geschäftsgebühr angefallen und keine Honorarvereinbarung getroffen worden ist. In einem solchen Fall könne sich die erstattungsberechtigte Partei nicht erstmals nachträglich im Kostenfestsetzungsverfahren darauf berufen, sie habe in Wirklichkeit mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine Honorarvereinbarung getroffen. Im Ergebnis wurde die Sache daher zurückverwiesen.
Damit hat der BGH an seinen bereits 2009 getroffenen Entscheidungen festgehalten, wonach eine Anrechnung bei einer außergerichtlichen Vergütungsvereinbarung nicht in Betracht komme.
Zur Festsetzung im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vertrat er hingegen die Auffassung, dass die für die Vertretung vor der Vergabekammer zur Festsetzung begehrte Geschäftsgebühr auch dann auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens anzurechnen sei, wenn der anwaltliche Vertreter des Erstattungsberechtigten für diesen auf der Grundlage einer Stundenhonorarvereinbarung tätig geworden ist. Die Verpflichtung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten war der Antragsgegnerin durch Beschluss auferlegt worden. Zudem hat der Senat dahinstehen lassen, ob ein Anrechnungsausschluss auch bei Stundenhonorarvereinbarungen zu gelten habe, weil das Honorar hier, anders als bei einer pauschalen Vergütung, zweifelsfrei dem jeweiligen Auftrag zugeordnet werden könne.
Das OLG Hamburg ist dem BGH gefolgt und hat eine Anrechnung abgelehnt, da die Erstattungspflichtige in Kenntnis der vorgerichtlichen Vergütungsvereinbarung die Forderung anerkannt hat. Das Bestehen einer Vergütungsvereinbarung könne lediglich dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie in missbräuchlicher Weise getroffen worden ist, um die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG zu umgehen.
Das KG ist sogar davon ausgegangen, dass selbst eine Vergütungsvereinbarung, die nur den Ausschluss der Anrechnungsvorschriften zum Gegenstand hat, dazu führe, dass die Bestimmung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren nicht anzuwenden sei.
Da noch nicht alle Fragen abschließend geklärt sind, bleibt die weitere Entwicklung im Rahmen der Kostenfestsetzung abzuwarten.