1. Frage
Rz. 55
Der ehemalige Mandant wurde in einem Rechtsstreit im Rahmen von Prozesskostenhilfe vertreten. 3 Jahre nach Beendigung des Verfahrens kommt vom Gericht erstmals die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung des Mandanten über die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse wegen der Überprüfung einer möglichen Änderung der PKH-Bewilligung nach § 120a ZPO. Mit dem Mandanten besteht kein Kontakt mehr, die neue Anschrift ist nicht bekannt. – Muss der Anwalt dennoch tätig werden, obwohl das Verfahren bereits seit langem beendet ist und kann hierfür zumindest eine Vergütung abgerechnet werden?
2. Antwort
Rz. 56
Während früher in der Praxis die Mandanten im Überprüfungsverfahren meist direkt ohne eine Beteiligung des Anwalts angeschrieben wurden, hat sich dies seit einigen Jahren geändert. Auslöser waren zwei Entscheidungen des BGH, der entschieden hat, dass auch nach dem formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens Zustellungen im PKH-Überprüfungsverfahren (§§ 120 Abs. 4, 124 ZPO) jedenfalls dann gemäß § 172 Abs. 1 ZPO an den Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen haben, wenn dieser die Partei im PKH-Bewilligungsverfahren vertreten hat. Mit ausführlicher Begründung wurde dargelegt, dass das PKH-Überprüfungsverfahren noch zum Rechtszug i.S.d. § 172 Abs. 1 ZPO gehöre. Auch das BAG hatte dies zuvor bereits so gesehen. Die Untergerichte folgen dem in ständiger Rechtsprechung, sodass wirksame Zustellungen nur an den Prozessbevollmächtigten erfolgen können.
Da das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, nach § 16 Nr. 2 RVG dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit darstellen, löst die Tätigkeit im Überprüfungsverfahren keine weiteren Gebühren aus. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man § 15 Abs. 5 S. 2 RVG auch in diesen Fällen für einschlägig hält und seit Beendigung der Hauptsache mehr als 2 Kalenderjahre vergangen sind. In der Literatur wird dies bejaht. In der Rechtsprechung wird der Anfall einer weiteren Gebühr ganz überwiegend abgelehnt. Zu beachten ist, dass sich im Falle der Bejahung einer weiteren Gebühr der Wert nach § 23a Abs. 1 Hs. 2 RVG nicht nach dem Wert der Hauptsache, sondern nach dem Kosteninteresse richtet.
Insbesondere für Anwälte, die in Rechtsgebieten mit einem hohen PKH/VKH-Anteil tätig sind, stellt dies eine große Belastung dar. Eine praxistaugliche Änderung durch den Gesetzgeber wäre wünschenswert, ist bisher aber nicht erfolgt. Um den Kolleginnen und Kollegen dennoch zu helfen, wird im Schrifttum versucht, Lösungsmöglichkeiten zu finden. Eine nachträgliche Entpflichtung wird von den Gerichten in der Regel abgelehnt. Eine Beteiligung im Überprüfungsverfahren könnte allerdings ausscheiden, wenn der Anwalt im Bewilligungsverfahren nicht beteiligt war und der Mandant Prozesskostenhilfe selbst beantragt hat. In der Praxis dürfte dies aber nicht immer umsetzbar sein. Ein weiterer Ansatz ist die kumulative Beschränkung des Auftrags und der Vollmacht des Mandanten auf das Bewilligungsverfahren selbst unter Ausschluss des Nachprüfungsverfahrens. Das OLG Brandenburg erkennt eine solche Beschränkung der Prozessvollmacht völlig zu Recht an. Ein Teil der Gerichte lehnt aber auch diese Möglichkeit ab und weist den Antrag auf Beiordnung bei einer Beschränkung der Vollmacht wegen fehlender Vertretungsbereitschaft zurück.
Rz. 57
Praxistipp
Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist der Anwalt durch das Gericht im PKH-Überprüfungsverfahren zu beteiligen, unabhängig davon, ob noch Kontakt zum Mandanten besteht. Möchte der Anwalt dies vermeiden, sollten daher bereits bei Übernahme des Mandats anderweitige Vereinbarungen mit dem Mandanten getroffen werden. Daneben sollte der Anwalt im eigenen Interesse äußerste Sorgfalt auf die Belehrung des Mandanten über die Pflichten nach § 120a ZPO einschließlich der Änderung der Anschrift verwenden, um sich keinem unnötigen Haftungsrisiko auszusetzen.