I. "Wiederaufnahme" des eingestellten Ermittlungsverfahrens
1. Frage
Rz. 90
Der Mandant wurde in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vertreten. Nachdem das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, erfolgte die Abrechnung einer Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, einer Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG sowie einer Zusatzgebühr nach Nr. 4141 VV RVG. Das Verfahren wurde nun wieder aufgenommen. – Handelt es sich um eine neue Angelegenheit nach § 17 Nr. 13 RVG, sodass die Gebühren erneut geltend gemacht werden können?
2. Antwort
Rz. 91
§ 17 Nr. 13 RVG gilt nur für die förmlichen Wiederaufnahmeverfahren nach §§ 359 ff. StPO. In diesen entstehen die Gebühren nach den Nrn. 4136 ff. VV RVG. Wird ein Verfahren nach §§ 170 Abs. 2 oder 154 Abs. 2 StPO eingestellt und später die Ermittlungen wieder aufgenommen, ist dies nicht von der Vorschrift umfasst. In diesem Fall bleibt das Verfahren dieselbe Angelegenheit. Eine Ausnahme ist nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG lediglich dann gegeben, wenn seit der Einstellung mehr als 2 Kalenderjahre vergangen sind. Der Mehraufwand kann aber ggf. im Rahmen des § 14 RVG berücksichtigt werden.
Die durch die Einstellung bei Mitwirkung des Anwalts entstandene zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG fällt durch die Wiederaufnahme nicht wieder weg.
II. Zusatzgebühr bei Einstellung des Strafverfahrens und Übergang ins Bußgeldverfahren
1. Frage
Rz. 92
Das Strafverfahren wurde durch die Mitwirkung des Anwalts eingestellt und das Verfahren an die Verwaltungsbehörde zwecks Durchführung eines Bußgeldverfahrens abgegeben, das dann nach nochmaliger Einlassung ebenfalls eingestellt wurde. – Ist im Strafverfahren eine Zusatzgebühr nach Nr. 4141 VV RVG angefallen?
2. Antwort
Rz. 93
Früher war umstritten, ob die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG auch dann entstehen kann, wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren zwar eingestellt, die Sache gemäß § 43 OWiG aber an die Verwaltungsbehörde abgegeben wird. Die Entscheidung des BGH, der den Anfall der Gebühr in diesem Fall verneint hatte, ist inzwischen überholt.
Durch den geänderten Wortlaut der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG – "Strafverfahren" anstelle von "Verfahren" – hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die zusätzliche Gebühr anfällt. Das Strafverfahren ist losgelöst von dem anschließenden Bußgeldverfahren zu betrachten.
Darüber hinaus ist in § 17 Nr. 10 b) RVG geregelt, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein sich nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens anschließendes Bußgeldverfahren verschiedene Angelegenheiten sind. Da die Gebühren in jeder Angelegenheit gesondert anfallen, fällt bei Einstellung auch des Bußgeldverfahrens eine weitere Zusatzgebühr nach Nr. 5115 VV RVG an.