I. Unterschiedliche Beteiligung mehrerer Auftraggeber
1. Frage
Rz. 94
In einem Verfahren werden mehrere Auftraggeber vertreten. Diese sind unterschiedlich am Prozess beteiligt. A, B und C werden als Gesamtschuldner wegen einer Forderung in Höhe von 10.000 EUR in Anspruch genommen, im Wege der Widerklage machen A und B in diesem Verfahren gemeinsam 6.000 EUR und C allein weitere 4.000 EUR geltend. – Wie ist das abzurechnen?
2. Antwort
Rz. 95
Da es sich um ein einheitliches gerichtliches Verfahren handelt, ist gebührenrechtlich eine Angelegenheit gegeben.
Sind in derselben Angelegenheit mehrere Personen Auftraggeber, erhöht sich die Verfahrensgebühr für jede weitere Person nach Nr. 1008 VV RVG um 0,3. Dies gilt bei Wertgebühren nach Anm. Abs. 1 jedoch nur, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist. Die Erhöhung wird dabei nach dem Betrag berechnet, an dem die Personen gemeinschaftlich beteiligt sind, Anm. Abs. 2. Ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit nicht derselbe, weil jeder Auftraggeber einen eigenen Anspruch hat, werden in derselben Angelegenheit die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet, § 22 RVG.
Die Berechnung der Gebühren bei mehreren Auftraggebern und nur teilweise identischer Beteiligung ist umstritten.
Nach der herrschenden Meinung (Judikatur und Teil der Literatur) wird zunächst die Verfahrensgebühr ohne Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG aus dem Gesamtwert bzw. dem gemäß § 22 Abs. 1 RVG zusammengerechneten Wert ermittelt und sodann eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung berechnet. § 15 Abs. 3 RVG wird nicht angewandt. Nach der Gegenauffassung gilt § 15 Abs. 3 RVG seinem Wortlaut nach bzw. wird entsprechend angewandt, wenn in derselben Angelegenheit neben einer Mehrfachvertretung mit identischem Gegenstand von dem Anwalt auch noch eine Einzelvertretung wahrgenommen wird. Dann sollen für Teile des Gesamtwertes verschiedene Gebührensätze eingreifen.
Berechnung Mehrfachvertretung bei unterschiedlicher Beteiligung
Nach der herrschenden Meinung wäre daher zu rechnen:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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1.068,60 EUR |
(Wert: 20.000 EUR) |
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0,6-Erhöhung, Nr. 1008 VV |
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368,40 EUR |
(Wert: 10.000 EUR) |
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0,3-Erhöhung, Nr. 1008 VV |
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117,00 EUR |
(Wert: 6.000 EUR) |
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Gesamt |
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1.554,00 EUR |
Nach der Gegenmeinung wäre zu rechnen:
1,9-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV |
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1.166,60 EUR |
(Wert: 10.000 EUR) |
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1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV |
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624,00 EUR |
(Wert: 6.000 EUR) |
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1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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361,40 EUR |
(Wert: 4.000 EUR) |
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Gesamt |
2.152,00 EUR |
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Höchstens aber 1,9 aus 20.000 EUR |
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1.561,80 EUR |
II. Kostenerstattung bei Streitgenossen und gemeinsamem Anwalt
1. Frage
Rz. 96
In einem Zivilprozess wurden zwei Beklagte durch denselben Prozessbevollmächtigten vertreten. Während der Beklagte zu 1) seine Kosten selbst zu tragen hat, trägt die Kosten des Beklagten zu 2) der Kläger. – Welche Kosten können für den Beklagten zu 2) im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden?
2. Antwort
Rz. 97
Bei der Vertretung mehrerer Auftraggeber in demselben gerichtlichen Verfahren handelt es sich grundsätzlich um dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit. Nach § 7 Abs. 1 RVG erhält der Anwalt die Gebühren nur einmal. Die mehreren Auftraggeber werden dabei durch eine Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV RVG bei Gegenstandsidentität oder durch Wertaddition nach § 22 RVG bei verschiedenen Gegenständen berücksichtigt.
Im Innenverhältnis zum Anwalt schuldet dabei jeder der Auftraggeber die Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre; wobei der Rechtsanwalt insgesamt nicht mehr als die angefallenen Gebühren fordern kann, § 7 Abs. 2 RVG.
In ständiger Rechtsprechung des BGH und der übrigen Gerichte wird im Rahmen der Kostenerstattung allerdings einheitlich davon ausgegangen, dass bei gemeinsamer Beauftragung eines Anwaltes durch Streitgenossen und unterschiedlichem Prozessausgang der obsiegende Streitgenosse im Regelfall nur den auf ihn entfallenden Bruchteil der Anwaltskosten vom Gegner erstattet verlangen kann, entsprechend der wertmäßigen Beteiligung. Lediglich ausnahmsweise könne sich die Alleinhaftung eines Streitgenossen ergeben, wenn feststeht, dass dieser im Innenverhältnis für die Kosten des gemeinsamen Anwalts letztlich allein aufzukommen hat.
Ist von den Streitgenossen nur einer vorsteuerabzugsberechtigt, ist bei der Aufteilung der Kosten des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten dem Erstattungsbetrag des nicht vorsteuerabzugsberechtigten Streitgenossen die Umsatzsteuer hinzuzurechnen.