Dr. iur. Sebastian Müller
Rz. 16
Wie auch im übrigen Vertragsrecht, kommt der Anwaltsvertrag durch Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB) zustande. In der Regel erteilt dabei der Mandant den Auftrag, welchen der Anwalt annehmen oder ablehnen kann.
Der umgekehrte Fall ist aber auch denkbar, obwohl dem Rechtsanwalt gemäß § 43b BRAO die Werbung um das konkrete Mandat untersagt ist. Wenn beispielsweise der potentielle Mandant den Rechtsanwalt um Mitteilung bittet, zu welchen Konditionen er das Mandant zu übernehmen bereit ist, wird die Antwort des Anwalts in der Regel ein Angebot darstellen, das der Mandant annimmt oder ablehnt.
Es kommt in der Praxis auch nicht selten vor, dass der erste Kontakt mit dem Mandanten über das Sekretariat, meist im Rahmen eines Telefonats, zustande kommt. Dabei hat die Sekretärin oder Rechtsanwaltsfachangestellte lediglich Botenfunktion. Ein wirksamer Anwaltsvertrag liegt zu diesem Zeitpunkt daher noch nicht vor.
Rz. 17
Die Auftragserteilung wie auch die Mandatsannahme sind nicht an besondere Formvorschriften gebunden, so dass die Willenserklärungen der Vertragsparteien mündlich abgegeben werden können. Häufig kommt der Anwaltsvertrag auch durch schlüssiges Handeln einer oder sogar beider Vertragsparteien zustande, etwa indem der Mandant dem Rechtsanwalt – ohne ausdrückliche Auftragserteilung – einen Sachverhalt schildert, und der Anwalt absprachegemäß im Anschluss einen Schriftsatz einreicht oder für den Mandanten einen Termin wahrnimmt.
Abzugrenzen ist das konkludente Zustandekommen des Anwaltsvertrags von der lediglich unverbindlichen Bitte um rechtlichen Rat oder Auskunft, wie sie manchmal im Freundeskreis oder in geselliger Runde vorkommt. Entscheidend kommt es hierbei darauf an, wie sich das Herantreten des potentiellen Mandanten an den Rechtsanwalt objektiv und unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles für diesen darstellt.
Rz. 18
Kriterien für ein konkludentes Angebot auf Mandatsübernahme sind dabei z.B.
▪ |
konkrete Terminvereinbarungen |
▪ |
Besprechungen in den Kanzleiräumen |
▪ |
Absprachen über Honorar und Gebühren |
▪ |
fehlende Zugehörigkeit des potentiellen Mandanten zum Freundes-/Bekanntenkreis des Rechtsanwalts. |
Rz. 19
Das bloße Schweigen des Rechtsanwalts auf einen Mandatsantrag hat grundsätzlich keinen Erklärungswert. Ausnahmen können jedoch für die Rechtsanwalts-GmbH und die Rechtsanwalts-AG im Falle einer ständigen Mandantenbeziehung bestehen, da hier gemäß § 362 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG bzw. § 3 Abs. 1 AktG das Schweigen als Annahme gelten kann.
Hinweis
Der Rechtsanwalt sollte den Auftrag schriftlich fixieren, damit Inhalt und Umfang des Mandats nachweisbar sind. Denn aus einem standardisierten Vollmachtsformular kann beispielsweise nicht unbedingt auf den Inhalt des Mandats geschlossen werden.