Dr. iur. Sebastian Müller
I. Allgemeines
Rz. 69
Eine gewisse Verpflichtung zur "Basisvorsorge" gegen das gerade im Erbrecht nicht unerhebliche Haftungsrisiko wurde den Rechtsanwälten durch die Einführung der Pflichtversicherung gegen Haftpflichtrisiken gemäß § 51 BRAO auferlegt. Neben der Erhöhung der Mindestversicherungssumme können Anwälte das Risiko persönlicher Haftung auch gesellschaftsrechtlich durch die Wahl einer bestimmten Rechtsform der Berufsausübung minimieren.
Darüber hinaus kann gemäß § 52 BRAO die Haftung vertraglich beschränkt werden, nämlich der Höhe nach durch Individualvereinbarung begrenzt auf die Mindestversicherungssumme oder durch vorformulierte Vertragsbedingungen ebenfalls der Höhe nach (auf das Vierfache der Mindestversicherungssumme) sowie personell auf sachbearbeitende Mitglieder der Sozietät oder inhaltlich durch die Beschränkung des Mandats auf bestimmte Rechtsbereiche.
II. Versicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung
1. Pflichtversicherung
Rz. 70
Dem Rechtsanwalt darf die Zulassungsurkunde gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 BRAO erst ausgehändigt werden, wenn er den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung nachweist bzw. eine vorläufige Deckungszusage vorlegt. Demgemäß ist der Rechtsanwalt gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 BRAO verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen und während der Zulassung aufrechtzuerhalten. Ist der Rechtsanwalt in einer Rechtsanwalts-GmbH tätig, müssen gemäß § 59j BRAO sowohl die Gesellschaft als auch der einzelne Anwalt persönlich versichert sein. Verliert der Rechtsanwalt seinen Versicherungsschutz, führt dies nach § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO zum unverzüglichen Widerruf der Zulassung.
Rz. 71
Die Schutzwirkung des vorgeschriebenen Abschlusses der Pflichtversicherung besteht in zweierlei Hinsicht: Zum einen dient sie dem Interesse des Mandanten, im Schadensfall seine Ansprüche befriedigt zu wissen. Zum anderen schützt sie den Rechtsanwalt vor Zugriffen auf sein Privatvermögen und letztlich vor dem Verlust seiner wirtschaftlichen Existenz. Der von Gesetzes wegen vorgeschriebene Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verschafft dem Anwalt so die notwendige persönliche Unabhängigkeit, seinen Pflichten aus § 43a BRAO nachzukommen.
Rz. 72
Von der Pflichtversicherung grundsätzlich nicht umfasst sind Tätigkeiten, die nicht berufsbezogen und demnach nicht anwaltsspezifisch sind. Im erbrechtlichen Umfeld sind in diesem Zusammenhang vor allem vom Rechtsanwalt übernommene Tätigkeiten als Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker zu nennen. Zwar können auch andere Personen diese Ämter übernehmen; allerdings lässt sich eine gewisse Berufsüblichkeit gleichwohl nicht abstreiten. Angesichts der zumeist hohen Vermögenswerte kommt ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko hinzu, weswegen diese Bereiche nach §§ 113, 114 VVG von den Berufshaftpflichtversicherern in der Pflichtversicherung belassen wurden und vom Versicherungsschutz somit mitumfasst sind.
Rz. 73
Dem Mandanten steht grundsätzlich kein Direktanspruch gegenüber der Haftpflichtversicherung des Rechtsanwalts zu. Anderes gilt gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG ausnahmsweise dann, wenn über das Vermögen des Rechtsanwalts ein Insolvenzverfahren eröffnet oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist, oder wenn der Aufenthaltsort des Rechtsanwalts unbekannt ist.
Hinweis
Wenn der Rechtsanwalt seinen Versicherungsschutz nicht gefährden will, sollte er seiner Haftpflichtversicherung einen etwaigen Schadensfall unverzüglich anzeigen.
2. Erweiterter Versicherungsschutz
Rz. 74
Gerade der im Erbrecht tätige Rechtsanwalt ist bei der Bearbeitung der Mandate häufig mit hohen Vermögenswerten konfrontiert. Im Bereich hoher Schäden kann es schnell vorkommen, dass die Pflichtversicherung den Vermögensschaden nicht in vollem Umfang abdeckt, weil die Mindestversicherungssumme überschritten wird. Die Pflichtversicherer bieten daher die Möglichkeit des Abschlusses einer über die Deckung hinausgehenden erweiterten Versicherung. Man spricht hier von einer sog. Exzedentenversicherung, die inzwischen zahlreiche große Berufsschadenhaftpflichtversicherer anbieten.
Der Rechtsanwalt hat die Möglichkeit, eine über die gesetzlich vorgeschriebene Mindestversicherungssumme hinausgehende Anschlussversicherung abzuschließen. Diese höheren Deckungssummen sind gerade bei erbrechtlichen Mandanten die Regel und in Anbetracht der hohen Haftpflichtsummen auch dringend anzuraten.
III. Gesellschaftsrechtliche Haftungsbeschränkung
1. Sozietät
Rz. 75
Der 2. Zivilsenat des BGH hat mit seiner Grundsatzentscheidung vom 29.1.2001 die Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft anerkannt. Was die Haftungsfrage anbelangt, war man in Literatur und Rechtsprechung zunächst geteilter Meinung: Zum Teil wurde angenommen, dass die für die BGB-Gesellschaft geltenden Regelungen der akzessorischen Haftung der Gesellschafter auf die Rechtsanwaltssozietät zumindest nicht ohne weiteres übertragbar seien. Zwischenzeitlich ist allgemein anerkannt, dass es eine Sonderstellung der Anwaltssozietät nicht gibt, die Sozien stattdessen wie sonstige BGB-Gesellschafter auch gemäß §§ 128, 129 HGB analog pe...