Dr. iur. Sebastian Müller
I. Prüfung der den Mandanten betreffenden Verjährungsfristen
Rz. 105
Zu den wichtigsten und gleichzeitig auch haftungsträchtigsten Pflichten des Anwalts im Rahmen der Bearbeitung eines erbrechtlichen Mandats gehört die Prüfung von Verjährungsfristen. Hier muss der Anwalt sämtliche einschlägigen Verjährungsvorschriften kennen und anwenden und gerade im Bereich des Pflichtteilsrechts auch die spezielle Regelung des § 2332 BGB beachten.
Rz. 106
Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf muss der Anwalt, der im Rahmen der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung (ab dem 1.1.2002: Verjährungshemmung, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) Klage erhebt, seinen Mandanten ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Gerichtskostenvorschuss unverzüglich einzuzahlen ist, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass die verjährungsunterbrechende Wirkung der Klageerhebung (mangels Rechtshängigkeit) nicht erreicht wird und der Pflichtteilsanspruch somit verjährt. Das OLG fordert in der zitierten Entscheidung, dass der Anwalt seinen Mandanten nicht nur pauschal auf die beschriebene Gefahr hinweist, sondern ihm die Problemstellung und die eventuell zu erwartenden Konsequenzen genau erläutert.
Rz. 107
Da nach Ansicht des BGH die materiellrechtliche Wirkung des § 167 ZPO entfällt, wenn der Kläger durch nachlässiges Verhalten eine nicht nur geringfügige Verzögerung der Zustellung provoziert, sollte der Anwalt seinen Mandanten spätestens bei der Übersendung der Aufstellung über die vorläufigen Gerichtskosten auf die Eilbedürftigkeit der Vorschusseinzahlung durch einen deutlich sichtbaren Hinweis aufklären. Besser ist es, bereits in der Vorbesprechung die Problematik genau zu erläutern. In diesem Zusammenhang sollte auch nicht übersehen werden, dass eine nicht nur geringfügige Verspätung (bei der Vorschusseinzahlung) vom BGH bereits bei einer Verzögerung von 18 bis 20 Tagen angenommen wird.
Kommt der Anwalt seiner Aufklärungspflicht nicht nach oder kann er die erfolgte Aufklärung in einem eventuellen Prozess nicht nachweisen, besteht hier ein erhebliches Haftungsrisiko.
Rz. 108
§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB regelt die Hemmung der Verjährung bei Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO). Die Hemmung tritt nur beim erstmaligen Antrag ein. Die Möglichkeit, durch gestaffelte Prozesskostenhilfeanträge eine mehrfache Verjährungshemmung zu erreichen, ist daher nicht gegeben. Auch ein nicht ordnungsgemäß begründeter oder unvollständiger Antrag löst die Hemmung der Verjährung aus. Es ist lediglich notwendig, dass der Antrag die Parteien individualisierbar benennt und das Streitverhältnis so ausreichend darstellt, dass die von der Verjährung bedrohten Ansprüche dem Grunde nach identifiziert werden können. Weiter ist die Veranlassung der Bekanntgabe des Antrags auf Prozesskostenhilfe an den Gegner für den Hemmungseintritt notwendig. Grund hierfür ist, dass nur solche Rechtsverfolgungsmaßnahmen verjährungsrechtliche Wirkung entfalten, die dem Schuldner auch bekannt werden.
II. Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung im Vergleich
Rz. 109
Nach Ansicht des BGH trifft den Anwalt grundsätzlich eine Belehrungspflicht gegenüber seinem Mandanten, der zufolge beim Abschluss eines Prozessvergleichs, in dem sich der Erbe zu einer Leistung verpflichtet, auf die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO hinzuweisen ist. Diese Belehrungspflicht besteht nach Ansicht des BGH auch dann, wenn davon auszugehen ist, dass im Innenverhältnis die Verbindlichkeit allein von einem der Streitgenossen getragen werden soll und dieser nach bisheriger Ansicht des Mandanten sowohl zahlungsfähig als auch zahlungsbereit ist.
Rz. 110
Der Erbe muss auch im Rahmen eines Prozessvergleichs die Aufnahme des Vorbehalts der Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO erwirken, ansonsten kann er später im Rahmen der Zwangsvollstreckung den Einwand der beschränkten Haftung nicht erheben. Die Vorschriften der §§ 780–785 ZPO sind auf die in § 794 ZPO genannten Titel anwendbar.
Rz. 111
Da der Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, den sichersten Weg zum Schutz der Interessen des Mandanten zu gehen, muss er an diese Möglichkeit bzw. an diese Sicherungsvorkehrung denken, und zwar auch dann, wenn Zahlungsfähigkeit und Bereitschaft besteht, sodass mit einer Haftung des Mandanten im Moment nicht zu rechnen ist. Dies folgt nicht zuletzt auch daraus, dass der Anwalt seinen Auftraggeber nach jeder Richtung umfassend zu beraten und seine Interessen wahrzunehmen hat.
III. Zahlungsklage im Rahmen des Pflichtteilsanspruchs
Rz. 112
Nach Ansicht des OLG Düsseldorf begeht der Rechtsanwalt eine Pflichtverletzung, wenn er im Rahmen einer Zahlungsklage...