Dr. iur. Sebastian Müller
Rz. 41
Gerade bei erbrechtlichen Mandaten trifft den Anwalt hinsichtlich des Sachverhalts eine umfangreiche Aufklärungsverpflichtung. So hat er unbedingt sämtliche relevanten Informationen über die Familienverhältnisse, über das derzeitige Vermögen, die bisherigen Verfügungen von Todes wegen und hinsichtlich aller zu Lebzeiten getätigten Schenkungen bzw. erhaltenen Vorempfänge einzuholen. Darüber hinaus sollte er sich bei Immobilien die Grundbuchauszüge und bei Gesellschaftsanteilen die Gesellschaftsverträge, ggf. sogar die Handelsregisterauszüge, vorlegen lassen.
Rz. 42
Eine Verpflichtung, die ihm vom Mandanten erteilten Angaben zu überprüfen und weitere eigene Ermittlungen anzustellen, trifft den Anwalt jedoch regelmäßig nicht. Vielmehr darf er auf die Informationen seines Mandanten vertrauen und hat grundsätzlich – sofern keine Zweifel über die Angaben des Mandanten bestehen oder angebracht sind – keine eigenen Ermittlungen anzustellen. Ist der Anwalt selbst jedoch eher in der Lage, weitergehende und eventuell erforderliche Informationen zu beschaffen, so muss er die Aufklärung selbst betreiben. Eine derartige Situation ist zum Beispiel dann gegeben, wenn es um die Grundbucheinsicht oder die Beiziehung von Gerichtsakten geht. Insofern kann den Anwalt eine eingeschränkte persönliche Ermittlungspflicht treffen.
Rz. 43
Unabhängig davon hat der Anwalt aber stets zu prüfen, ob und inwieweit die ihm zur Verfügung stehenden Informationen vollständig und zur Lösung des Falles ausreichend sind. Stellt er hierbei fest, dass noch Informationslücken bestehen, hat er die erforderlichen Angaben beim Mandanten einzuholen bzw. anzufordern. Gerade im Zusammenhang mit der allgemeinen anwaltlichen Beratung hat der BGH hierbei folgende Grundsätze aufgestellt:
Zitat
"Die Pflicht des Rechtsanwalts zur vollständigen Beratung setzt voraus, dass er zunächst durch Befragen seines Auftraggebers die Punkte klärt, auf die es für die rechtliche Beurteilung ankommen kann und dabei auch die in der Sache liegenden Zweifel, die er als Rechtskundiger erkennen kann und muss, während sie auch einem geschäftsgewandten Rechtsunkundigen verborgen bleiben können, bedenkt und erörtert. Soweit solche Zweifel bestehen können, darf der Rechtsanwalt sich nicht mit der rechtlichen Würdigung des ihm Vorgetragenen begnügen, sondern muss sich bemühen, durch Befragen des Rechtssuchenden ein möglichst vollständiges und objektives Bild der Sachlage zu gewinnen. Er muss dabei durch richtige Fragen an seinen Auftraggeber die tatsächlichen Grundlagen ans Licht bringen, dh die Informationen, die er für eine richtige und umfassende Beratung braucht, schaffen und ergänzen."