Dr. iur. Sebastian Müller
Rz. 86
Obwohl die berufsrechtlichen Regelungen zur vertraglichen Haftungsbeschränkung nicht neu sind, hat laut einer Umfrage des Soldan Instituts nahezu die Hälfte der Rechtsanwälte/Rechtsanwältinnen noch nie von der Möglichkeit des § 52 BRAO Gebrauch gemacht. Dabei kann die Haftung vertraglich in dreifacher Hinsicht beschränkt werden, nämlich
▪ |
der Höhe nach durch schriftliche Vereinbarung im Einzelfall auf die Mindestversicherungssumme von 250.000 EUR (§§ 52 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 4 BRAO) oder durch vorformulierte Vertragsbedingungen bei einfacher Fahrlässigkeit auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme, wenn insoweit Versicherungsschutz besteht (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO) |
▪ |
sachlich durch Beschränkung des Mandats auf bestimmte Rechtsbereiche und |
▪ |
personell durch vorformulierte Vertragsbedingungen auf sachbearbeitende Mitglieder einer Sozietät, die namentlich benannt werden (§ 52 Abs. 2 S. 2 BRAO). |
§ 52 BRAO bezieht sich nur auf vertragliche Schadensersatzansprüche. Deliktische Ansprüche können nicht begrenzt werden.
1. Haftungsbeschränkung auf eine bestimmte Summe
Rz. 87
Im Rahmen des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO ist eine Haftungsbegrenzung für die fahrlässige Verletzung vertraglicher Pflichten durch schriftliche Individualvereinbarung auf die Mindestversicherungssumme in Höhe von 250.000 EUR möglich. Das gilt für jede Form der Fahrlässigkeit, also auch für grobe Fahrlässigkeit, wobei hier höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, ob der Ausschluss grober Fahrlässigkeit zudem eine ausführliche Aufklärung des Mandanten erfordert.
Rz. 88
Unzulässig ist eine Haftungsbeschränkung für vorsätzliches Handeln des Rechtsanwalts. Das folgt allgemein aus § 276 Abs. 3 BGB, aber auch als Umkehrschluss aus § 52 Abs. 1 S. 1 BRAO, wonach die Haftung ausdrücklich nur für einen fahrlässig verursachten Schaden beschränkt werden kann.
Rz. 89
Für die Anerkennung von Individualhaftungsvereinbarungen hat die Rechtsprechung außerordentlich hohe Anforderungen entwickelt. Notwendig ist das "freie Aushandeln" der Einzelvereinbarung. Hierzu sind folgende Gesichtspunkte zu beachten:
Ein freies Aushandeln setzt voraus, dass der Mandant tatsächlich die Möglichkeit haben muss, auf das Ergebnis seines Gesprächs mit dem Rechtsanwalt entscheidenden Einfluss zu nehmen. Beide Parteien müssen also bereit sein, im wahrsten Sinne des Wortes zu verhandeln und sich wirklich auf ein Ergebnis zu einigen. Das bedeutet, dass auch der Rechtsanwalt die Bereitschaft haben muss, im Laufe der Verhandlungen nachzugeben und von seiner ursprünglichen Position abzurücken. Daher genügt es auf keinen Fall, wenn der Anwalt dem Mandanten eine von ihm entworfene Haftungsbeschränkungsvereinbarung einseitig vorträgt, gegebenenfalls auch erläutert und anschließend unterschreiben lässt.
Rz. 90
Hinweis
Es ist dringend davon abzuraten, mit vorformulierten Texten zu arbeiten. Wirksamkeitsvoraussetzung ist vielmehr eine individuell mit dem Mandanten ausgehandelte Vereinbarung, die erkennbar einzelfallbezogenen Gesichtspunkte enthalten sollte.
2. Haftungsbeschränkung durch vorformulierte Vertragsbedingungen
Rz. 91
Mittels vorformulierter Vertragsbedingungen kann der Anwalt die Haftung für vertragliche Fehlleistungen nur auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme, also auf 1 Mio. EUR, begrenzen, § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Rechtsanwalt auch eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung mit einem entsprechenden Deckungsbetrag von 1 Mio. EUR unterhält. Außerdem darf sich die Haftungsbeschränkung expressis verbis nur auf Fälle einfacher Fahrlässigkeit beziehen. Grobe Fahrlässigkeit kann durch allgemeine Mandatsbedingungen nicht ausgeschlossen werden (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO).
Rz. 92
Zur wirksamen Einbeziehung der vorformulierten Vertragsbedingungen muss der Rechtsanwalt diese dem Mandanten vor Vertragsschluss deutlich zur Kenntnis bringen und übergeben; ein Aushang in den Kanzleiräumen ist nicht ausreichend. Da der Rechtsanwalt für die Geltung der Vertragsbedingungen beweispflichtig ist, sollte eine schriftliche Bestätigung des Mandanten eingeholt werden.
Rz. 93
Zur Wahrung des Transparenzgebots ist zu empfehlen, den Haftungsbetrag nicht durch den Gesetzeswortlaut ("vierfache Betrag der Mindestversicherungssumme") zu umschreiben, sondern konkret mit 1 Mio. EUR zu beziffern.
Unzulässig dürfte im Übrigen sein, in vorformulierten Vertragsbedingungen kürzere als die gesetzlichen Verjährungsfristen für vertragliche Schadensersatzansprüche zu vereinbaren. Ein Haftungsausschluss für telefonische Auskünfte kann gleichfalls nicht wirksam vereinbart werden.
Hinweis
Die vorformulierte Haftungsbeschränkung sollte keinesfalls in eine Vollmachtsurkunde aufgenommen werden. Da der Mandant bei Unterzeichnung der Vollmacht nicht mit einer solchen Klausel hatte rechnen müssen, handelte es sich um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB.