Dr. iur. Sebastian Müller
Rz. 114
Im Rahmen der Beratung bei der Testamentsgestaltung haftet der Anwalt auch für solche Schäden, die aus einer mangelnden Abstimmung des Testamentes mit eventuell vom Erblasser geschlossenen Gesellschaftsverträgen resultieren.
Rz. 115
In einem vom BGH entschiedenen Fall ließ sich der Erblasser von seinem Anwalt bezüglich einer Testamentsgestaltung beraten. Ihm ging es dabei insbesondere darum, seine Kommanditanteile für die Erben zu erhalten. Der Anwalt hatte in der Beratung übersehen, dass die gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklausel zwar grundsätzlich den Übergang des Geschäftsanteils eines verstorbenen Gesellschafters auf dessen Erben vorsah, dass aber die übrigen Gesellschafter die Möglichkeit hatten, solche Erben, die weder Mitgesellschafter noch Abkömmlinge des Verstorbenen waren, gegen Abfindung zum Buchwert (ohne Berücksichtigung eines eventuellen Firmenwerts) aus der Gesellschaft auszuschließen.
Testamentarisch waren die Ehefrau des Erblassers sowie sein Abkömmling als Erben zu jeweils ½ eingesetzt. Nach dem Tod des Erblassers beriefen sich die übrigen Gesellschafter auf die oben genannte Gesellschaftsvertragsklausel und schlossen die Ehefrau des Erblassers gegen eine Abfindung zum Buchwert aus der Gesellschaft aus.
Rz. 116
Nach Ansicht des Gerichtes wäre der Rechtsanwalt hier verpflichtet gewesen, den Erblasser auf die Bedeutung der gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeklausel hinzuweisen. Hätte der Erblasser dennoch auf die gewünschte Erbeinsetzung von Ehefrau und Sohn gedrängt, wäre der Anwalt gehalten gewesen, weitergehende Vorschläge zu unterbreiten, die geeignet gewesen wären, die Einziehung des hälftigen Kommanditanteils zu verhindern.
Rz. 117
Hier hätte beispielsweise der Sohn als Alleinerbe eingesetzt werden können, während die Ehefrau ein ihrem Erbteil entsprechendes Vermächtnis als Ausgleich hätte erhalten können. Ebenso wäre es möglich gewesen, dem Sohn im Wege des Vorausvermächtnisses oder über eine Teilungsanordnung den Kommanditanteil zuzuwenden. Im letzteren Fall wäre der Anwalt jedoch verpflichtet gewesen, seinen Mandanten auf mit dieser Regelung verbundene weitere Risiken hinzuweisen.
Rz. 118
Im vorliegenden Fall hat das Gericht unterstellt, der Beratungsvertrag zwischen dem Erblasser und seinem Anwalt entfalte auch Schutzwirkung zugunsten der ins Auge gefassten Erben (Ehefrau und Sohn), da davon auszugehen sei, dass es dem Erblasser entscheidend darauf ankam, die Gesellschaftsanteile für seine beiden Erben zu erhalten. Vor diesem Hintergrund kam auch ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch der Ehefrau in Betracht.