Dr. iur. Sebastian Müller
A. Allgemeines, Anspruchsgrundlage
Rz. 1
Relativ kurze Zeit nach dem Erbfall sind wichtige Entscheidungen zu treffen. Der im Erbrecht tätige Rechtsanwalt bewegt sich daher – häufig unter einem gewissen Zeitdruck – in einem haftungsträchtigen Umfeld, etwa bei der Beratung über die Ausschlagung der Erbschaft oder bei der Durchführung von Testamentsvollstreckungen. Aber auch im Vorfeld des Erbfalls – beispielsweise bei der Gestaltung von Unternehmensnachfolgen – ist das Haftungsrisiko beträchtlich.
Rz. 2
In allen Fragen der Anwaltshaftung ist zunächst zu unterscheiden, ob der jeweilige Vertragspartner des Rechtsanwalts, also der Mandant, selbst einen Ersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt geltend macht oder ob es sich bei dem Anspruchsteller um einen Dritten handelt, der nicht unmittelbarer Vertragspartner ist. Denn anders als bei der Haftung des Notars fehlt es für die Haftung des Rechtsanwalts größtenteils an ausdrücklichen spezialgesetzlichen Regelungen; Ausnahme ist § 44 S. 2 BRAO. Außerdem enthält § 51 BRAO das Gebot der Pflichtversicherung des Rechtsanwalts und in § 52 BRAO sind die Regelungen zur Beschränkung der Haftung niedergelegt.
Rz. 3
Zentrale Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt ist § 280 Abs. 1 S. 1 BGB. Voraussetzung für eine Haftung des Rechtsanwalts ist, dass zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten
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ein Anwaltsvertrag zustande gekommen ist und |
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der Rechtsanwalt schuldhaft eine Pflichtverletzung begangen hat, |
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die ursächlich für |
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die Entstehung eines Schadens beim Mandanten war. |
Rz. 4
Anspruchsgrundlage für vorvertragliche Pflichtverletzungen, die vor der Schuldrechtsreform über das Institut der culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss) gelöst wurden, ist § 311 Abs. 2 BGB. Allerdings ist die vorvertragliche Haftung für den Fall der Nichtannahme eines Auftrages durch § 44 S. 2 BRAO spezialgesetzlich geregelt. Dieser greift ein, wenn der Rechtsanwalt die Ablehnung des ihm angetragenen Auftrages nicht unverzüglich erklärt. Im Übrigen muss der Rechtsanwalt gemäß § 311 Abs. 2 BGB für die Verletzung von Pflichten, die sich aus einem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis ergeben, einstehen.
Fallbeispiel
Bei Anbahnung eines Mandatsverhältnisses unterlässt es der Anwalt, Auskunft wegen evtl. Verjährung von Ansprüchen des Mandanten zu erteilen. Der Beratungstermin findet zu einem Zeitpunkt statt, in dem der Anspruch des Mandanten wegen in der Zwischenzeit eingetretener Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden kann. Hier haftet der Anwalt für den aus seiner Unterlassung erwachsenden Schaden.
B. Der Anwaltsvertrag
I. Art und Umfang des Anwaltsvertrags
1. Geschäftsbesorgungsvertrag
Rz. 5
Zwar wurde in der Vergangenheit die Rechtsnatur des gesetzlich nicht geregelten "Typus Anwaltsvertrag" kontrovers diskutiert. Zwischenzeitlich ist anerkannt, dass es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 Abs. 1 BGB handelt.
§ 675 Abs. 1 BGB nimmt Bezug auf zahlreiche Vorschriften des Auftragsrechts (§§ 663, 665–670, 672–674 BGB). Der Auftrag ist gekennzeichnet durch ein unentgeltliches, fremdnütziges Tätigwerden. Der Rechtsanwalt wird ebenfalls fremdnützig, jedoch entgeltlich tätig. Gleichwohl hat er nach dem Willen des Gesetzgebers über die Verweisung in § 675 Abs. 1 BGB den Pflichtenkatalog der Vorschriften über den Auftrag zu beachten: er ist grundsätzlich an Weisungen des Mandanten gebunden (§ 665 BGB), zur Herausgabe der aus der Geschäftsführung erlangten Vorteile verpflichtet (§ 667 BGB) und kann nach § 670 BGB neben seiner Vergütung Aufwendungsersatz vom Auftraggeber verlangen.
Der Anwaltsvertrag wird durch zahlreiche Vorschriften des anwaltlichen Berufs- und Gebührenrechts näher ausgestaltet. Ist der Mandant Verbraucher, können auch die Regelungen zum Fernabsatz gemäß §§ 312 ff. BGB anwendbar sein.
a) Der Anwaltsvertrag als Dienstvertrag
Rz. 6
In den meisten Fällen liegt dem Auftrag ein Dienstvertrag gemäß § 611 BGB zugrunde. Der Rechtsanwalt leistet für seinen Mandanten "Dienste höherer Art", die ihm aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses übertragen werden. Er wahrt die Rechte seines Mandanten und setzt diese sowohl in außergerichtlicher als auch in prozessualer Hinsicht durch.
Rz. 7
Einen bestimmten Erfolg verspricht der Rechtsanwalt i...