Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 64
Abgesehen von wirklichen Ausnahmefällen sollte sich der Rechtsanwalt von seinem Klienten die Bevollmächtigung – und zwar für jedes erteilte Mandat – schriftlich bestätigen lassen. Zwar sollte der Rechtsanwaltsvertrag auf beiderseitigem Vertrauen basieren, jedoch ist durchaus zweifelhaft, ob dieses Vertrauensverhältnis auch im Verlauf der Bearbeitung der Angelegenheit bestehen bleibt, zumal der Rechtsanwalt kaum einschätzen kann, wie sein Mandant bei einem etwaigen (teilweisen) Unterliegen reagieren wird.
I. Vorteile einer Vollmachtserteilung
Rz. 65
Auch wenn keine Dokumentationspflicht besteht, da der Rechtsanwaltsvertrag nicht formbedürftig ist, muss nachvollziehbar sein, ob und inwieweit ein Vertrag geschlossen worden ist. Dies ist insbesondere auch im Verhältnis zu "Dauermandanten" wichtig, damit auch beiläufig erteilte Mandate erfasst werden. Entsteht später Streit über den Inhalt und den Umfang des Mandats, ist die schriftlich erteilte Vollmacht ein wichtiges Dokument, auf das sich der Anwalt beziehen kann. Falls sich der Mandant im Nachhinein mit der Begründung, den maßgebenden Auftrag (angeblich) nicht erteilt zu haben, weigert, die abgerechneten Gebühren zu zahlen, muss der Anwalt den Abschluss eines Rechtsanwaltsvertrages beweisen können. Mit einer schriftlichen Vereinbarung kann also für beide Seiten Rechtssicherheit geschaffen werden.
Rz. 66
Gemäß § 174 S. 1 BGB muss bei einem einseitigen Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter vornimmt, eine Vollmacht vorgelegt werden. Anderenfalls ist das Rechtsgeschäft unwirksam, wenn der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Eine Vollmachtvorlage ist insbesondere bei Inverzugsetzungen unerlässlich, des Weiteren bei Erklärungen, die anderenfalls nicht nachgeholt werden können, so etwa bei Anfechtungen gemäß § 120 BGB, welche innerhalb der Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB unverzüglich zu erklären sind. Wird also ohne Vorlage der Vollmacht die Erklärung angefochten und weist die Gegenseite gemäß § 174 S. 1 BGB die Erklärung ohne schuldhaftes Zögern zurück, kann die Anfechtung danach nicht noch einmal (unverzüglich) erklärt werden. Dies führt dann möglicherweise dazu, dass der Rechtsanwalt in Regress genommen wird.
Rz. 67
Überdies wird für Akteneinsichtsgesuche (bei elektronischer Aktenführung erfolgen diese gemäß § 299 Abs. 3 S. 1 ZPO durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg) eine schriftliche Vollmacht benötigt. Abgesehen davon ist vielfach die Vollmacht nicht das einzige Formular, welches dem Mandanten zur Unterschrift vorgelegt wird, so dass praktisch auch kein zusätzlicher anwaltlicher Verwaltungsaufwand entsteht. Der Hinweis gemäß § 49b Abs. 5 BRAO ist gegenzeichnen zu lassen, vielfach wird ein Beratungs- oder ein Prozesskostenhilfeformular auszufüllen sein, in Verkehrsunfallangelegenheiten ist oft die Erklärung von der Entbindung der ärztlichen Schweigepflicht zu unterschreiben.
Rz. 68
Zu unterscheiden ist, ob es sich um ein außergerichtliches und/oder um ein gerichtliches Mandat handelt. Hierfür sollten unterschiedliche Vollmachtformulare bereitgehalten werden. Das Mandat zur Klageerhebung bedarf ohnehin eines konkreten Auftrags.
In einem Prozess ist nach § 80 S. 1 ZPO eine Vollmacht schriftlich zu den Akten zu reichen, was indes bei Auftreten eines Anwalts als Prozessbevollmächtigter vom Gericht nicht von Amts wegen geprüft wird (§ 80 Abs. 2 S. 2 ZPO), sofern nicht begründete Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen. Eine Prüfung einer anwaltlichen Bevollmächtigung erfolgt auch stets auf unverzichtbare Rüge des Gegners, § 88 Abs. 1 ZPO.
II. Gebührenrechtliche Aspekte
Rz. 69
Beauftragt der Mandant den Rechtsanwalt zunächst nur, ihn außergerichtlich zu vertreten und im Anschluss daran – also nicht sogleich – auch zur Vertretung im Prozess/Verfahren, spielt dies für die spätere Geltendmachung der Gebühren eine Rolle. Wurde zunächst nur ein Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung erteilt, wird demgegenüber die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 auf eine Verfahrensgebühr eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens zu Hälfte, höchstens jedoch mit einem Satz von maximal 0,75 angerechnet, soweit der Gegenstand der außergerichtlichen und der gerichtlichen Tätigkeit identisch sind, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG. Demgemäß ist im Klageverfahren bei vorangegangener außergerichtlicher Vertretung auch die halbe Geschäftsgebühr einzuklagen. Dabei sind zur Ermittlung auch die volle Auslagenpauschale und die hierauf entfallende Umsatzsteuer heranzuziehen.
Rz. 70
Der Klageauftrag darf dann aber noch nicht von Anfang an erteilt worden sein. Denn hat der Mandant seinem Rechtsanwalt einen unbedingten Klageauftrag erteilt, ist die Geltendmachung einer Gebühr ausgeschlossen, weil die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG auch Tätigkeiten erfasst, welche die Klage oder Rechtsverteidigung vorbereiten.
Rz. 71