Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 91
Für Briefe an den Mandanten ist maßgebend § 11 BORA "Mandatsbearbeitung und Unterrichtung des Mandanten" zu berücksichtigen, wonach Folgendes gilt:
(1) |
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind verpflichtet, das Mandat in angemessener Zeit zu bearbeiten und die Mandantinnen und Mandanten über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten. Es ist ihnen insbesondere von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben. |
(2) |
Anfragen des Mandanten sind unverzüglich zu beantworten. |
Unter datenschutzrechtlichen Aspekten problematisch ist u.U. die Kommunikation mit dem Mandanten per E-Mail, zumal der Rechtsanwalt zur strikten Verschwiegenheit verpflichtet ist, §§ 203 StGB, 43a Abs. 2 S. 1 BRAO, 2 Abs. 1 BORA. E-Mails sind nur eingeschränkt sicher, für eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung fehlt bislang ein einheitlicher Standard. Gem. § 2 Abs. 2 BORA muss der Rechtsanwalt die zum Schutz des Mandatsgeheimnisses erforderlichen technischen Maßnahmen ergreifen, die risikoadäquat und – entsprechend dem Stand der Technik – für den Anwaltsberuf zumutbar sind. Das ist der Fall, wenn die Maßnahmen Datenschutznormen entsprechen. Ein E-Mail-Verkehr mit dem Mandanten ist in jedem Fall möglich, wenn dieser diesen Weg vorgeschlagen oder damit begonnen hat. Hat der Rechtsanwalt diesen Kommunikationsweg vorgeschlagen und zumindest pauschal auf die Risiken hingewiesen, genügt es, wenn der Mandant weiter per E-Mail schreibt.
Rz. 92
Aus dem Rechtsanwaltsvertrag, §§ 611, 666, 675 BGB, folgen ebenfalls anwaltliche Pflichten: Erforderliche Nachrichten sind zu geben, auf Verlangen ist über den Stand der Angelegenheit Auskunft zu erteilen und nach Ausführung des Auftrags ist Rechenschaft abzulegen. Nach § 11 Abs. 1 BORA sind Rechtsanwälte verpflichtet, von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben.
Rz. 93
Was "wesentliche Schriftstücke" sind, muss der Rechtsanwalt ggf. nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen. Dabei kann es auch auf die persönliche und wirtschaftliche Bedeutung des Falles ankommen. Allerdings dürfte es sich empfehlen, im Zweifel zugunsten des Mandanten davon auszugehen, dass dieser informiert werden will, auch wenn sich aus dem Charakter des jeweils erteilten Mandats oder auch des Mandanten Besonderheiten ergeben können. Auf die jeweilige Erwartungshaltung des Mandanten dürfte abzustellen sein, zumal letztendlich auch die Zufriedenheit des Mandanten Werbung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts und für erhoffte Weiterempfehlungen ist. Hat der Mandant seit längerem nichts mehr von seinem Rechtsanwalt gehört, wird er sich ohnehin melden. Dann empfiehlt es sich, z.B. auch eine bloße Zwischennachricht des Gerichts oder Vergleichbares mit einem kurzen Hinweis auf das weitere, zu erwartende Voranschreiten der Angelegenheit weiterzuleiten. Dies ist dann im Ergebnis zeitsparender, als ein Telefonat des Inhalts zu führen, ob und wann mit dem Fortgang des Verfahrens nach Einschätzung des Rechtsanwalts zu rechnen ist.
Rz. 94
Der Mandant ist ohne schuldhaftes Zögern i.S.d. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB zu informieren, d.h. nach Ablauf einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist. Zumeist ist allerdings der bürointerne Organisationsaufwand (von der Bearbeitung der Posteingänge über die Zuordnung zu den Akten und der Vorlage an den bearbeitenden Rechtsanwalt, dessen Bearbeitungszeit einschließlich einer juristischen Überprüfung des eingegangenen Schriftstücks und die Erledigung bis zur Abgabe zur Post bzw. Weiterleitung per Fax oder E-Mail) nicht von der Hand zu weisen. Eine Weiterleitung eines Posteingangs noch am selben Tag an den Mandanten dürfte daher in der Praxis selten zu gewährleisten sein. Allerdings sollte gerade bei fristgebundenen Angelegenheiten (rechtsmittel- und rechtsbehelfsfähige Entscheidungen; vom Gericht vorgegebene Stellungnahmefristen) für eine schnelle Information des Mandanten gesorgt werden, damit dieser selbst die Zeitspanne bis zum Ablauf der Frist für eigene Überlegungen weitestgehend ausschöpfen kann.
Rz. 95
Inhaltlich ist darauf zu achten, den Mandanten vollständig und verständlich (ohne juristische Sprachspiele) zu informieren. Anderenfalls ist mit einem sofortigen Anruf des Mandanten zwecks Erläuterung zu rechnen. Der Zeitaufwand für solche Nachfragen und die unnötige Überlastung des Sekretariats sollten tunlichst vermieden werden. Ungenügende Informationen anlässlich der Abwicklung des Mandats führen ohnehin zur Unsicherheit bzw. Unzufriedenheit des Mandanten und sind daher ebenfalls keine Werbung, abgesehen davon, dass dieser seinen Unmut später ggf. durch entsprechende schleppende Bezahlung oder Nichtzahlung der Gebührenrechnung dokumentieren wird.