Rz. 70

Anfechtungsbefugt (vgl. § 245 AktG) ist nach § 111 Abs. 1 HGB jeder Gesellschafter,

der (selbst) oder
dessen Rechtsvorgänger

im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Gesellschaft angehört hat.

 

Beachte:

Keine Anfechtungsbefugnis hat ein nicht in Rechtsnachfolge der Gesellschaft beigetretener Gesellschafter in Bezug auf vor seinem Beitritt gefasste Beschlüsse,[147] bzw. ein Gesellschafter, der nach erfolgter Beschlussfassung seinen Gesellschaftsanteil an einen anderen übertragen hat (vgl. Wortlaut des § 111 Abs. 1 HGB).[148]

Die Anfechtungsbefugnis als aus der Mitgliedschaft (d.h. der Gesellschafterstellung) folgendes materiell-rechtliches Verwaltungsrecht (Sachbefugnis) ist vom Feststellungsinteresse zu unterscheiden.[149]

Die Anfechtungsbefugnis eines jeden Gesellschafters – und zwar unabhängig von seiner individuellen Betroffenheit und dem Umfang seiner Beteiligung – als aus der Mitgliedschaft folgendes Verwaltungsrecht (zum Schutz der Gesellschaftsminderheit)[150] verschafft jedem Gesellschafter die "Möglichkeit, auf die Willensbildung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen".[151]

Im Falle einer Änderung im Gesellschafterbestand nach erfolgter Beschlussfassung gilt für die Anfechtungsbefugnis Folgendes:[152]

Bei Neueintritt eines Gesellschafters in die Gesellschaft geht die Anfechtungsbefugnis des Rechtsvorgängers auf den neu eintretenden Gesellschafter über.
Einem Gesellschafter, der der Gesellschaft ohne Rechtsnachfolge beitritt, fehlt hingegen die Anfechtungsbefugnis.

Der Gesellschafter muss – anders als im Aktienrecht – dem Beschluss im Rahmen oder nach der Beschlussfassung nicht widersprochen haben, um anspruchsberechtigt zu sein. Er braucht noch nicht einmal zu der Abstimmung in der Gesellschafterversammlung erschienen sein.[153]

Dies liegt darin begründet, dass nach Ansicht des Gesetzgebers das Beschlussverfahren im Personenhandelsgesellschaftsrecht "nicht in gleicher Weise formalisiert zu werden wie im Aktienrecht".[154]

[147] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 230.
[148] Schäfer/Grunewald, § 5 Rn 78: Hier soll der Rechtsvorgänger, der vor der Übertragung des Gesellschaftsanteils bereits Anfechtungsklage erhoben hat, "den Rechtsstreit gemäß § 265 ZPO unter der Bedingung fortführen [können], dass er ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung hat".
[149] Schäfer/Grunewald, § 5 Rn 76.
[150] Schäfer/Grunewald, § 5 Rn 80.
[151] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 230.
[152] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 230.
[153] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 230. Arg.: geringer Formalisierungsgrad des Beschlussverfahrens im Personenhandelsgesellschaftsrecht.
[154] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 230.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge