Rz. 37
Der Zweite Titel (§§ 108 bis 122 HGB) "fasst den auf die §§ 109 bis 122 HGB [alt] verteilten Normenbestand zusammen und ordnet ihn inhaltlich neu".
I. Gestaltungsfreiheit von Gesellschaftsverträgen (§ 108 HGB)
Rz. 38
§ 108 HGB über die Gestaltungsfreiheit von Gesellschaftsverträgen (wohingegen § 108 HGB alt die Anmeldung zum Handelsregister durch alle Gesellschafter geregelt hatte) hat in sachlicher Übernahme von § 109 HGB alt und entsprechend § 708 BGB folgenden Wortlaut:
Von den Vorschriften dieses Titels kann durch den Gesellschaftsvertrag abgewichen werden, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist“.
Rz. 39
Von den Vorgaben des Zweiten Titels – Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und der Gesellschafter zur Gesellschaft (§§ 109 bis 122 HGB) – kann nach § 108 HGB durch Gesellschaftsvertrag (bzw. dessen nachträgliche Änderung durch Gesellschafterbeschluss, wobei die Beschlussfassung selbst nach § 109 HGB auch dispositiver Natur ist) abgewichen werden (weitgehende Gestaltungsfreiheit im Innenverhältnis), soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist, d.h., soweit den §§ 109 bis 122 HGB nicht ausdrücklich zwingender Charakter zukommt.
Dies folgt bereits aus dem Verweis in § 105 Abs. 3 HGB auf § 708 BGB ("entsprechende Anwendung") – doch schien dem Gesetzgeber eine gesetzliche Klarstellung geboten, "weil § 708 BGB seinerseits auf die Vorschriften des Kapitels 2 über das Innenrechtsverhältnis der rechtsfähigen Gesellschaft Bezug nimmt, was Zweifel aufkommen lässt, ob daraus geschlossen werden kann, dass grundsätzlich auch sämtliche Vorschriften des Zweiten Titels über das Innenrechtsverhältnis der offenen Handelsgesellschaft der Gestaltungsfreiheit unterliegen", d.h., dass auch die §§ 109 bis 115 HGB (Beschlussfassung und Beschlussmängelrecht) der Gestaltungsfreiheit unterliegen, was damit grundsätzlich der Fall ist.
II. Beschlussfassung (§ 109 HGB)
Rz. 40
Die Neuregelung des § 109 HGB, die "in Abgrenzung zur Geschäftsführung die Grundlagen der gesellschaftsinternen Willensbildung und Entscheidungsfindung durch Beschlussfassung der Gesellschafter" regelt (wohingegen § 109 HGB alt den Gesellschaftsvertrag geregelt hatte), hat folgenden Wortlaut:
(1) Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst.
(2) Die Versammlung kann durch jeden Gesellschafter einberufen werden, der die Befugnis zur Geschäftsführung hat. Die Einberufung erfolgt durch formlose Einladung der anderen Gesellschafter unter Ankündigung des Zwecks der Versammlung in angemessener Frist.
(3) Gesellschafterbeschlüsse bedürfen der Zustimmung aller stimmberechtigten Gesellschafter.
(4) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, ist die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn die anwesenden Gesellschafter oder ihre Vertreter ohne Rücksicht auf ihre Stimmberechtigung die für die Beschlussfassung erforderlichen Stimmen haben“.
1. Regelungsgehalt
Rz. 41
§ 109 HGB gestattet im Unterschied zur Parallelregelung des § 714 BGB nicht nur Mehrheitsbeschlüsse. Vielmehr werden auch Teile des Beschlussverfahrens geregelt. Ungeregelt bleibt hingegen das Zustandekommen eines Beschlusses.
Die höhere Regelungsdichte des § 109 HGB im Vergleich zu § 714 BGB folgt aus der Einführung des neuen Beschlussmängelrechts für Personenhandelsgesellschaften in den §§ 110 bis 115 HGB. Vorbild dafür ist das aktienrechtliche Anfechtungsmodell. Um Rechtssicherheit über die Bestandskraft eines Beschlusses zu schaffen, bedarf es im Regelfall eines Festhaltens des Beschlusses in einer Weise, "dass Unsicherheiten über dessen Zustandekommen und Ergebnis möglichst vermieden werden", d.h. einer gewissen Formalisierung des Beschlussverfahrens.
Rz. 42
In § 109 HGB werden die Grundlagen des Beschlussverfahrens geregelt, die durch § 112 Abs. 2 HGB (wonach die Klagefrist für eine Anfechtungsklage "mit dem Tag [beginnt], an dem der Beschluss dem anfechtungsberechtigten Gesellschafter bekanntgegeben worden ist") ergänzt werden.
Über § 161 Abs. 2 HGB gelangt § 109 HGB auch auf die KG entsprechend zur Anwendung.
Im Gesellschaftsvertrag können im Rahmen der durch die Gestaltungsfreiheit nach § 108 HGB vorgegebenen Grenzen abweichende Regelungen getroffen werden.
2. Beschlussfassung in Versammlungen
Rz. 43
Die Beschlüsse der Gesellschafter werden nach § 109 Abs. 1 HGB in (Gesellschafter-)Versammlungen gefasst, da "die Versammlung (…) im Regelfall durch die Möglichkeit zur Rede und direkten Widerrede im Kreis der Versammlungsteilnehmer eine optimale Willensbildung und Entscheidungsfindung bei gleichmäßiger Informationsversorgung [gewährleistet]".
Rz. 44
Versammlung setzt ein Zusammenkommen mehrerer Personen zu einem bestimmten Zweck, aber nicht notwendigerweise an einem bestimmten Ort, voraus – weshalb eine Beschlussfassung sowohl in einer Präsenzversammlung (auch ad hoc) als auch in einer virtuellen Versammlung (bspw. im Rahmen einer Telefon- oder Videokonferenz) zulässig ist,