Rz. 72
Die Neuregelung der § 112 HGB über die Klagefrist (wohingegen § 112 HGB alt das Wettbewerbsverbot geregelt hatte) hat – in Abweichung zum Regelungsgehalt des § 246 Abs. 1 AktG (kurze einmonatige Kündigungsfrist von einem Monat) – folgenden Wortlaut:
(1) Die Anfechtungsklage ist innerhalb von drei Monaten zu erheben. Eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, welche eine kürzere Frist als einen Monat vorsieht, ist unwirksam.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Beschluss dem anfechtungsbefugten Gesellschafter bekanntgegeben worden ist.
(3) Für die Dauer von Vergleichsverhandlungen über den Gegenstand des Beschlusses oder die ihm zugrundeliegenden Umstände zwischen dem anfechtungsbefugten Gesellschafter und der Gesellschaft wird die Klagefrist gehemmt. Die für die Verjährung geltenden §§ 203 und 209 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Klagefrist frühestens einen Monat nach dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen endet“.
§ 112 HGB will Rechtssicherheit über die Wirksamkeit eines Beschlusses herstellen. Die Regelung hat – wie die Anfechtungsbefugnis nach § 111 HGB – materiell-rechtlichen Charakter (materiell-rechtliche Klagefrist, arg.: Regelungsstandort), womit sie nicht nach § 224 Abs. 2 ZPO verlängert (bzw. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 233 ff. ZPO gefordert) werden kann und damit "fristüberschreitende Anfechtungsklagen nicht als unzulässig, sondern stets als unbegründet abzuweisen [sind]".
1. Dreimonatige Klagefrist
Rz. 73
Die Anfechtungsklage ist im Interesse einer schnellen Rechtssicherheit über die Wirksamkeit des Beschlusses einerseits und um den Parteien andererseits hinreichend Zeit zur Verfügung zu stellen sich außergerichtlich zu verständigen und ihr Begehren vorzubringen nach § 112 Abs. 1 S. 1 HGB innerhalb von drei Monaten zu erheben.
Eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, welche eine kürzere Frist als einen Monat vorsieht, ist nach § 112 Abs. 1 S. 2 HGB unwirksam (Untergrenze bei anderweitiger Vertragsvereinbarung).
2. Fristbeginn
Rz. 74
Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beginnt nach § 112 Abs. 2 HGB mit dem Tag, an dem der Beschluss dem anfechtungsbefugten Gesellschafter bekanntgegeben worden ist (Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beschlusses – anders als nach § 246 Abs. 1 AktG: Beschlussfassung).
Der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beschlusses an die anfechtungsberechtigten Gesellschafter (was die Gesellschafter zu einer gewissen Formalisierung des Beschlussverfahrens anhält, "insoweit die Bekanntgabe eine förmliche Feststellung des gefassten Beschlusses implizit voraussetzt") erschien dem Gesetzgeber angesichts der verschiedenen Arten, in denen eine Beschlussfassung möglich ist und der damit einhergehenden Ungewissheit, wann ein Beschluss gefasst worden ist, als angebracht. Maßgeblich ist der Zugang gemäß § 130 Abs. 1 BGB.
Beachte:
Zugangserleichterungen durch entsprechende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag (vor allem bei Publikumskommanditgesellschaften) sind möglich.
Der Gesetzgeber hat von einer Regelung der Modalitäten der Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter Abstand genommen (da diese sich einer abstrakt-generellen Regelung entziehen) und diese Frage wie im Beschlussmängelrecht der GmbH einer Klärung durch die Rechtsprechung vorbehalten.
Das Bekanntgabeerfordernis soll gleichwohl implizit ein "Mindesterfordernis an eine Formalisierung der Beschlussfassung" voraussetzen, "ohne die Privatautonomie der Gesellschafter über Gebühr einzuschränken" (vgl. §§ 108, 109 HGB).
3. Hemmung der Klagefrist
Rz. 75
Für die Dauer von Vergleichsverhandlungen über den Gegenstand des Beschlusses oder die ihm zugrundeliegenden Umstände zwischen dem anfechtungsbefugten Gesellschafter und der Gesellschaft wird die Klagefrist nach § 112 Abs. 3 S. 1 HGB zwecks Abmilderung der mit der Fristenregelung verbundenen Härten gehemmt (wofür "im Personengesellschaftsrecht angesichts der typischen personalistischen Struktur, dem besonderen Interesse an einer außergerichtlichen Streitvermeidung und -schlichtung sowie der Gefahr der persönlichen Haftung ein besonderes Bedürfnis [besteht]").
Dabei lässt jeder Meinungsaustausch zwischen dem anfechtungsbefugten Gesellschafter und der Gesellschaft über den Gegenstand des Beschlusses die Hemmung eintreten, "sofern nicht sofort und eindeutig einer der Beteiligten das Begehren nach einer Aufhebung oder Abänderung des Beschlusses ablehnt". Der Eintritt der Hemmung setzt somit Folgendes voraus: