Rz. 77
Die Neuregelung des § 113 HGB, die die prozessualen Modalitäten der Anfechtungsklage einschließlich des Streitwerts und der Urteilswirkungen regelt (wohingegen § 113 HGB alt die Verletzung des Wettbewerbsverbots geregelt hatte), hat folgenden Wortlaut:
(1) Zuständig für die Anfechtungsklage ist ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat.
(2) Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten. Ist außer dem Kläger kein Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft befugt, wird die Gesellschaft von den anderen Gesellschaftern gemeinsam vertreten.
(3) Die Gesellschaft hat die Gesellschafter unverzüglich über die Erhebung der Klage und die Lage des Rechtsstreits zu unterrichten. Ferner hat sie das Gericht über die erfolgte Unterrichtung in Kenntnis zu setzen. Das Gericht hat auf eine unverzügliche Unterrichtung der Gesellschafter hinzuwirken.
(4) Die mündliche Verhandlung soll nicht vor Ablauf der Klagefrist stattfinden. Mehrere Anfechtungsprozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.
(5) Den Streitwert bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen.
(6) Soweit der Gesellschafterbeschluss durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt worden ist, wirkt das Urteil für und gegen alle Gesellschafter, auch wenn sie nicht Partei sind“.
1. Ausschließliche Zuständigkeit für die Entscheidung über die Anfechtungsklage
Rz. 78
Örtlich zuständig für die Anfechtungsklage ist nach § 113 Abs. 1 HGB ausschließlich das Landgericht (dort funktionell [aber nicht ausschließlich, sondern auf Antrag der Parteien nach § 96 bzw. § 98 GVG] zuständig: Kammer für Handelssachen), in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz (mithin bei einer Vereinbarung den Vertragssitz, anderenfalls den Verwaltungssitz) hat (§ 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 706 S. 2 BGB).
§ 113 Abs. 1 HGB mit der ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts am Sitz der Gesellschaft (ohne eine Möglichkeit einzelvertraglicher Vereinbarungen oder rügeloser Einlassungen) führt im Interesse der Prozessökonomie dazu, "dass mehrere Anfechtungsklagen wegen desselben Streitgegenstands bei einem örtlich und sachlich zuständigen Gericht zur gemeinsamen Entscheidung gebündelt werden", wodurch im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung des § 113 Abs. 6 HGB (s. nachstehende Rdn 86) divergierende Entscheidungen vermieden werden. Zugleich verhindert die Regelung, "dass mehrere angerufene Gerichte mit ihrer Entscheidung bis zu einer Entscheidung durch das jeweils andere Gericht zuwarten und auf diese Weise ein Verfahrensstillstand eintritt".
Beachte:
Mit der ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts geht Anwaltszwang (§ 78 ZPO) einher.
Beachte:
"Beschlussstreitigkeiten bleiben dem Grunde nach [infolge einer getroffenen Schiedsvereinbarung] schiedsfähig (§ 1030 Abs. 1 ZPO)".
2. Adressat der Anfechtungsklage
Rz. 79
Die Klage ist nach § 113 Abs. 2 S. 1 HGB gegen die Gesellschaft (da ihr als selbstständig rechtsfähiges Rechtssubjekt nach § 105 Abs. 2 HGB der Beschluss der Gesellschafterversammlung als eigene Willensbildung zugerechnet wird) und nicht gegen die anderen Gesellschafter zu richten (Passivlegitimation).
Infolgedessen hat im Obsiegensfall der klagende Gesellschafter als Konsequenz der Eingehung des Gesellschaftsverhältnisses "wirtschaftlich die Prozesskosten proportional zu seiner Beteiligung als Teil der betrieblichen Aufwendungen zu tragen".
Ist außer dem Kläger kein Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft befugt, wird die Gesellschaft – die passivlegitimiert bleibt – nach § 113 Abs. 2 S. 2 HGB von den "anderen Gesellschaftern" gemeinsam vertreten (passive Prozessführungsbefugnis aller anderer Gesellschafter als gemeinsam auszuübendes Pflichtrecht), um "auch im Falle der Vertretungslosigkeit ein[en] effektiven Rechtsschutz [zu gewährleisten]".
Dadurch wird ein effektiver Rechtsschutz im Fall der Vertretungslosigkeit ermöglicht.
Bei der OHG kommt es im Regelfall nicht zu einer Vertretungslosigkeit (arg.: Einzelvertretungsbefugnis eines jeden Gesellschafters nach § 124 Abs. 1 HGB). Bei der KG hingegen (arg.: § 170 Abs. 1 HGB schließt die Kommanditisten von der Vertretungsbefugnis aus) kann es bei einer Publikums-KG dann zu Problemen kommen, wenn der einzige vertretungsbefugte Komplementär klagt und zahlreiche Kommanditisten als "andere Gesellschafter" i.S.v. von § 113 Abs. 2 S. 2 HGB gemeinsam die Vertretung übernehmen sollen: "Fehlt es an einer intakten Handlungsorganisation der anderen Gesellschafter, weil sie sich analog § 46 Nr. 8 GmbHG auch nicht auf die Bestellung eines Vertreters v...